Investor Relations unter den Anforderungen an eine zeitgemäße Veränderungs- und Innovationskommunikation.

Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

20.01.2024



Zusammenfassung
Die Unternehmenskommunikation hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und wird je nach Anforderungen bzw. Optionen zukunftsweisende Impulse setzen. Wegweisend in diesem Zusammenhang sind Themenfelder wie Investor Relations, Veränderungs- und Innovationskommunikation oder Corporate Social-Responsibility. All diese Felder verfolgen ein gemeinsames Ziel: Sie wollen den Wert eines Unternehmens steigern und die Zielgruppen von ihrer Marke überzeugen. Qualität, Konsistenz und Vertrauen sollen bei der Fremdwahrnehmung von Informationen am Kapitalmarkt eine angemessene, möglichst langfristige Unternehmensbewertung sichern.

Investor Relations etablierte sich als ein Unternehmensbereich, der bei Organisationen, die eine Aktiengesellschaft oder eine andere kapitalbasierte Gesellschaft bilden, einen hohen Stellenwert genießt: „Neue Aktionäre gewinnen, gelistet werden – oder auch an die Börse gehen – oder die Ausgabe neuer Wertpapiere impliziert den Wettbewerb gegen Hunderte oder sogar Tausende von Unternehmen, die alle nach Partnern suchen, um ihre Entwicklung zu finanzieren. […] Wenn zwei Emittenten vergleichbare Finanzergebnisse haben, kann die Qualität ihrer Investor Relations ein Differenzierungs- und ein echter Wettbewerbsfaktor sein, der sich in der Bewertung widerspiegelt.“¹    ¹Guimand 2008, Chapter 1, S. 1.


1 Einleitung und Definition von Investor Relations
Kennzeichnend für Investor Relations (IR) ist, dass zahlreiche Unternehmen proaktiv auf einem Markt antreten, um nach Partnern zu suchen, die ihrem Geschäftsmodell allein oder im Verbund mit anderen Kapitalanlegern finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Dabei können die Investoren, seien es Großaktionäre, Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung oder Privatinvestoren, aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen oder aus der gleichen Branche stammen, und national oder sogar weltweit agieren.

IR dienen sowohl den Interessen ihrer Organisation als auch den Investoren und Analysten, wobei die Anforderungen der Stakeholder hoch sind, da sie sich eine Rendite des investierten Kapitals versprechen. Dies setzt einerseits voraus, die Perspektive der Aktionäre zu verstehen, in der Regel die Gewinn-und-Verlust-Rechnung, die Bilanz und den Cashflow. Andererseits ist es bedeutend, dass die Investoren die Geschichte, den Stellenwert, die Meilensteine und Kennzahlen des Unternehmens richtig einschätzen, um faktenbasierte Entscheidungen zu treffen.

Im Fokus des Informationstransfers zwischen Stakeholdern und den Unternehmen stehen Aktualität, Transparenz und Vertrauen sowie die Einsicht, dass in einem dynamischen Umfeld die Kommunikation tagesaktuell funktionieren muss. Unter Investor Relations versteht das National Investor Relations Institute (NIRI) als weltweit größter IR-Berufsverband: „Investor relations is a strategic management responsibility that integrates finance, communication, marketing and securities law compliance to enable the most effective two-way communication between a company, the financial community, and other constituencies, which ultimately contributes to a company’s securities achieving fair valuation.“²  ²NIRI 2003.

Hier erkennt man, dass Investor Relations eine strategische Managementaufgabe darstellen, die die Einhaltung von Finanz-, Kommunikations-, Marketing- und Wertpapiergesetzen integriert, um die effektivste wechselseitige Kommunikation zwischen einem Unternehmen, potenziellen Eigen- und Fremdkapitalgebern sowie Kapitalmarktintermediären zu etablieren und zu pflegen, was letztendlich dazu beiträgt, dass die Wertpapiere eines Unternehmens eine faire Bewertung erreichen. Die entsprechenden Kommunikationsaktivitäten umfassen Maßnahmen zur Verständigung ebenso wie Instrumente der Beeinflussung, um auf gewisse Entscheidungen eine Einflussnahme ausüben zu können.

Gerade dieses Beispiel zeigt, weshalb Investor Relations bei Organisationen als ein Teilbereich der übergeordneten Unternehmenskommunikation oder des Marketings angesiedelt sind. Man kann ahnen, welche vorrangigen Aufgaben bei diesem Handlungsfeld gegenüber der Financial Community anstehen:

  • die Kontaktpflege zu Aktionären bzw. Investoren, Analysten und Finanzmedien,
  • Reporting durch Bereitstellung von Finanzinformationen für die Kapitalmärkte,
  • kommunikationspolitische Betreuung von Analysten, Investoren und Journalisten.

„Damit Investor Relations effektiv als Wettbewerbsunterscheidungsmerkmal auf den Finanzmärkten eingesetzt und genutzt werden können, müssen Anne Guimand zufolge bestimmte Voraussetzungen bei den Unternehmen gegeben sein:

  1. Klar definierte und realistische Ziele, die in die Gesamtstrategie des Managements eingebunden sind und qualitativ sowie quantitativ messbar sind.
  2. Verpflichtung der Geschäftsführung, Investor Relations als ein strategisches Instrument zur Steigerung der Unternehmensbewertung zu betrachten und als Chance, auf den Kapitalmärkten präsent zu sein.
  3. Investor Relations müssen eine zentrale Funktion bzw. Schlüsselrolle in der Unternehmensstrategie einnehmen, um insbesondere den Zeitwert der Aktien des börsennotierten Unternehmens festzulegen und um einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau des Unternehmens zu leisten.
  4. Organisatorische Effizienz, bspw. indem die Jobvoraussetzungen beschrieben werden (etwa starke Finanzkompetenz, analytische Fähigkeiten und Beziehungen zu Privatanlegern) und die benötigten Fähigkeiten von IR-Mitarbeitern gebündelt werden.
  5. Bereitstellung von Qualitätsinformations- und Berichtsystemen, die Finanzinformationen zuverlässig und rechtzeitig auswerten, um gesetzliche Verpflichtungen einhalten oder um mit Leistungskennzahlen bzw. Wechselkursen umgehen zu können.
  6. Verständnis und Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen für Finanzinformationen, basierend auf den Grundsätzen der Transparenz, gleicher Zugang zu Informationen für alle Aktionäre, weil die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen strafbar ist.
  7. Fähigkeit, ein möglichst ehrliches Bild zu den Perspektiven des Unternehmens zu vermitteln, um ein Image oder eine Reputation zu pflegen und um Veränderungen in der Finanzkommunikation zu antizipieren.“³

³ Vgl. Guimand 2008, S. 24-77.


2 Aufgabenbereiche einer professionellen Kapitalmarktkommunikation

Die Kapitalmarktkommunikation ist bei einem jungen Unternehmen zunächst darauf ausgerichtet, den geplanten Börsengang vorzubereiten und somit frisches Kapital zu erschließen. Aufbauend auf diesen Aktivitäten sind fortführende Maßnahmen erforderlich, um eine sachgerechte Unternehmensbewertung dauerhaft zu ermöglichen:

  • proaktiver Dialog mit potenziellen und existierenden Investoren,
  • Erfüllung gesetzlicher und regulatorischer Anforderungen der Kapitalmarktkommunikation,
  • Steuerung der Erwartungen des Marktes, um Unsicherheitsfaktoren oder Gefahren zu vermeiden,
  • Bereitstellung von Informationen, die eine realistische Einschätzung des Unternehmenswertes zulassen,
  • Pflege der Beziehungen zu Investoren, damit feindliche Übernahmen möglichst verhindert und Kapitalmaßnahmen erleichtert werden können.

Weiterhin steht der langfristige Vertrauensaufbau am Kapitalmarkt im Mittelpunkt unternehmerischer IR-Aktivitäten, wobei sich dadurch evidente Vorteile für das Unternehmen eröffnen:

  • Unterbewertungen werden weitgehend abgewehrt,
  • feindlichen Übernahmen werden Grenzen gesetzt,
  • die Volatilität eines Wertpapierpreises oder eines Index wird reduziert und somit werden Schwankungen eingeschränkt,
  • der Zugang zum Kapitalmarkt wird kontinuierlich gewährt,
  • das Image des Unternehmens wächst über den Kapitalmarkt hinaus (bspw. bei den Mitarbeitern und Kunden).

Doch welche konkreten Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich von Investor Relations? Alles in allem zeigt sich, dass von einer hohen Aufmerksamkeit sowohl das Unternehmen als auch die Kapitalmarktteilnehmer profitieren und dass virtuelle Kontaktformate stark an Bedeutung gewinnen (vgl. Tabelle 1). Obwohl virtuelle Formate eine Reihe von Vorteilen bieten (Einsparung von Reisezeit und -kosten beim Erschließen neuer Regionen bzw. Märkte, höhere Reichweiten sowie eine größere Flexibilität und Schnelligkeit in Bezug auf Ad-hoc-Meetings), kann der fehlende persönliche Kontakt zu potenziellen oder bestehenden Investoren die IR-Überzeugungsarbeit negativ beeinflussen (die Face-to-Face-Kommunikation mit Investoren ist zumeist verbindlicher und tragfähiger).

IR-Informationsträger bzw. -mittel

Aufgaben

IR-Magazine der Unternehmen und Fachzeitungen

Veröffentlichung von kapitalmarktrelevanten Mitteilungen und Finanzberichten sowie einer überzeugenden Equity Story. Ferner Positionierung des CFOs am Kapitalmarkt

Roadshows und Investorenkonferenzen (finden vermehrt digital und monatlich statt)

Aktive Ansprache und Gewinnung neuer Investoren und Pflege von Altinvestoren

Telefon- und Videokonferenzen (virtuelle Formate nehmen einen hohen Stellenwert ein) sowie persönliche Meetings

Information und Kontaktpflege der Investoren (bspw. zur Bekanntgabe der Quartals- und Geschäftsberichte); Beantwortung von Anfragen zu geschäftspolitischen und strategischen Themen

Pressekonferenzen (finden vermehrt digital statt)

Die Fachpresse wird regelmäßig über aktuelle Entwicklungen des Unternehmens informiert

Website (interaktiv)

Betreuung des IR-Bereichs auf einer Unternehmenswebsite, Zielgruppe sind überwiegend Investoren, Analysten und Medienvertreter

Webcasts (eine Art Radio- oder Fernsehsendung als Aufzeichnung oder live)

Onlineübertragungen sind verstärkt im Einsatz

Hauptversammlungen des Unternehmens (werden teilweise virtuell bzw. hybrid einmal jährlich angeboten)

Organisatorische Mitarbeit, Reden des CFOs/CEOs schreiben etc.

Capital Markets Day und/oder Analystenkonferenzen (finden vermehrt digital und einmal jährlich statt)

Organisation von wiederkehrenden Kapitalmarkttagen, bei denen Analysten, Investoren und Medienvertretern Informationen über die Geschäftsstrategien von Unternehmen sowie Finanzupdates präsentiert werden

Börsenrelevante Werbeträger

Konzeption, Realisierung und Schaltung von Anzeigen, Werbespots, Werbefilmen etc. im Zuge eines Börsengangs

Netzwerke von Kapitalmarktexperten

Auswahlprozess von Beratern, Rechtsanwälten, Banken und anderen Partnern

Unternehmensinterne Kommunikation

Mitwirkung bei der internen Strategieentwicklung aus dem Blickwinkel des Kapitalmarkts

Tabelle 1: Mögliche Informationsträger bzw. -mittel und Aufgaben der Investor Relations


Hier muss ergänzt werden, dass der Deutsche Presserat journalistische Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung verabschiedet hat, die Journalistinnen und Journalisten als Leitfaden dienen sollen.⁴  So regeln die Verhaltensgrundsätze etwa das Verbot von Insidergeschäften und von Marktmanipulation und setzen Standards für eine unabhängige, nicht-manipulative Berichterstattung über Börsenkurse und Referenzwerte. ⁴ Vgl. Deutscher Presserat 08.10.2019.

Aus dem Blickwinkel von Investor Relations für große kapitalmarktorientierte Unternehmen⁵  ist ab dem Jahr 2022 eine wesentliche Aufgabe hinzugekommen: Die transparente Kommunikation nachhaltig ausgelegter Aktivitäten des Unternehmens entsprechend der Corporate-Social-Responsibility-Richtlinie der EU-Kommission als Bestandteil der Finanzberichterstattung: „Ziel der Richtlinie ist es, dass Unternehmen in der EU bestimmte Sorgfaltspflichten umsetzen, um negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte und Umwelt in ihren Wertschöpfungsketten innerhalb und außerhalb Europas zu vermeiden.“⁶  Neu ist, dass mit dem CSRD (Überarbeitung der NFRD, Inkrafttreten am 05.01.2023) nicht mehr nur die kapitalmarktorientierten Unternehmen, sondern alle großen berichtspflichtig werden, schrittweise ab 2024.

⁵ Verpflichtend für Unternehmen, die der CSR-Berichtspflicht unterliegen.  ⁶ Bundesministerium für Arbeit und Soziales o. J.


Nicht nur bei der Capital-Market-Story muss fortan in Bezug auf die „grünen“ Wirtschaftsaktivitäten offengelegt werden, in welchem Umfang die Tätigkeiten des Unternehmens als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. Für IR bedeutet das, dass die Organisationseinheit automatisch zum Kontrolleur im eigenen Unternehmen wird und nachweisen muss, mit welchen Investitionen ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten finanziert wurden. Angesichts der politischen Ziele des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel soll so ein Greenwashing verhindert werden.

Das Thema Greenwashing erfreut sich großer Popularität. Unter dem Begriff wird der Versuch von Organisationen verstanden, sich mit einem nachhaltigen Image in der Öffentlichkeit darzustellen, ohne nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten umzusetzen. Stattdessen wird durch Geldspenden für ökologische Projekte, flankiert von Kommunikationsmaßnahmen, ein umweltbewusstes Verhalten vorgetäuscht.


3 Einflussmöglichkeiten von Investor Relations auf den Aktienkurs
Aufgrund der Vielzahl an Unternehmen, die Investoren suchen und/oder einen Börsengang planen bzw. bereits durchgeführt haben, steht die Bewertung einer wirtschaftlichen Gesellschaft (bspw. Aktiengesellschaft oder GmbH) im Fokus. Daraus folgt, dass die Werte gerade von börsennotierten Unternehmen immer wieder neu verhandelt werden, weil diese etwa starken Schwankungen unterliegen, die Kurse erlahmen oder keine Aktien verkauft werden.

In diesem Kontext wird deutlich, dass Investor Relations durch eine hervorragende oder mangelhafte Arbeit der Mitarbeitenden Einfluss auf die Unternehmensbewertung ausüben, denn es ist ihre Aufgabe, umfängliche Informationen über das Unternehmen zu sammeln, aufzubereiten und bereitzustellen. Andererseits sollten die Beziehungen zu potenziellen oder bereits bestehenden Anlegern nicht überstrapaziert werden, indem der Aktienkurs ostentativ und forciert nach oben getrieben wird, obwohl hierzu das nötige ökonomische Fundament fehlt. Wer keine faire Bewertung arrangiert, muss damit rechnen, dass der Börsenkurs über kurz oder lang einbricht, wobei dann der Imageschaden zu starken Umsatzverlusten führen kann. Insofern empfiehlt es sich, seriöse Unternehmensbewertungen zu respektieren und mögliche Unter- oder Überbewertungen der Aktie zu klären. Deutlich mehr Gestaltungsraum zur prononcierten Reaktion bietet sich, wenn von Kritikern eine ganze Branche zur Rechenschaft gezogen wird, obwohl einzelne Unternehmen mit ausgezeichneten Ergebnissen herausragen.

Um noch einmal auf den Punkt der Aufgabenbereiche von Investor Relations zurückzukommen, Kristin Köhler ordnet diese fünf Typologien zu, und zwar als:

  • Informationspflicht (Erfüllung der regulatorischen Pflichten) mit dem Ziel der Sanktionsfreiheit,
  • Kommunikationsfunktion mit dem Ziel des Aufbaus langfristiger Beziehungen zu relevanten Kapitalmarktakteuren und Sicherstellung einer One-Voice-Policy des Unternehmens,
  • Marketingfunktion zur Vermarktung der Aktie mit dem Ziel der Maximierung des Aktienkurses und eines positiven Images des Unternehmens,
  • Finanzfunktion mit dem Ziel des Abbaus von Informationsasymmetrien zwischen dem Unternehmen und seinen (potenziellen) Aktionären, Optimierung der Kapitalkosten.
  • Integrierte Funktion der IR als eigenständige Funktionseinheit im Unternehmen, die Finanz- und Kommunikationsfunktion sowie Strategie, M&A, Corporate Governance, Sustainability oder Unternehmensentwicklung verbindet.⁷  ⁷Vgl. Köhler 2022, S. 41–42.

Betrachtet man das Zeitalter der digitalen Transformation, so wird deutlich, dass eine Konstanz im Sinne eines gleichbleibenden Zustands – bspw. im Bereich Investor Relations – ein historisches Auslaufmodell ist und Veränderung der Normalzustand. Die Digitalisierung erfasst alle Lebens- und Arbeitsbereiche und setzt dadurch Unternehmen einschließlich deren Produkte oder Dienstleistungen unter einen permanenten Veränderungs- oder sogar Erneuerungsdruck. In dieser Hinsicht zeigt sich, dass zahlreiche Geschäftsmodelle angepasst werden müssen, denn ansonsten bestünde die Gefahr, dass sie von einem Markt keine Akzeptanz mehr erfahren. Mit Lang und Wagner kann darauf hingewiesen werden, dass es sich keine Organisation leisten kann, branchenrelevante Planungen zu negieren: „Veränderungen in Unternehmen sind Reaktionen auf Entwicklungen im Umfeld oder im Unternehmen selbst. Eine wesentliche Aufgabe der Unternehmensleitung zusammen mit der Belegschaft ist es, diese Entwicklungen systematisch zu analysieren, mit den Auswirkungen auf das Unternehmen zu bewerten und entsprechend zu reagieren.“⁸    ⁸ Lang und Wagner 2020, S. 1.

Einen typischen Veränderungsprozess kann es jedoch nicht geben, da sich die Rahmenbedingungen voneinander differenzieren und je nach Unternehmen die Chancen und Risiken, aber auch Handlungsfelder sowie Ziel- und Zeitvorgaben mit unterschiedlichen Prämissen verbunden sind. Zu Recht macht Paul Roberts auf die innerbetrieblichen Hürden aufmerksam, die es bei einem Wechsel- oder Projektmanagement zu überwinden gilt: „Entscheidend ist, wenn die Belohnungen des Wandels genossen werden sollen, müssen bestimmte Personengruppen sie als Verbesserung des Status quo annehmen. [...] Um dies zu erreichen, müssen nicht nur unzählige neue Prozesse, Praktiken und Ergebnisse, sondern auch Denkweisen, Verhaltensweisen und Werte angepasst werden. Es kann bedeuten, Normen und einige heilige Kühe aufzugeben, Menschen zu erziehen, anders zu arbeiten, und Kunden davon zu überzeugen, etwas Neues zu kaufen.“⁹ Zu den außerbetrieblichen Erschwernissen zählen Konstellationen aus dem Markt- und Wettbewerbsumfeld sowie gesellschaftliche, ordnungspolitische und rechtliche Voraussetzungen sowie disruptive Geschäftsmodelle.  ⁹ Roberts 2020, S. 3

Das alles macht es für die Unternehmenskommunikation und somit auch für IR nicht gerade leicht, denn eine leistungsfähige und funktionierende Corporate Communication steht im Allgemeinen für Orientierung und Kontinuität. Um auf Dauer bestehen zu können, ist es für eine unternehmensbezogene PR-Arbeit wichtig, vorausblickend zu planen und zu handeln sowie erforderliche Kurskorrekturen kurzfristig durchzuführen. Wenn man so will, hängt die Zukunftsfähigkeit einer Organisation gerade auch von der Agilität, Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit der Unternehmenskommunikation ab. 


4 Erfolgsorientierte Investor Relations
Forscher kommen zu dem Schluss, dass der Dialog zwischen Emittenten, Kapitalgebern sowie den relevanten Intermediären optimiert wurde, was u. a. auf die professionellen Qualitätsstandards seitens des Deutschen Presserates, der Europäischen Union und des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK) zurückzuführen ist.

Als größter Fachverband für die Verbindung von Unternehmen und Kapitalmärkten hat DIRK ein Leitbild für Investor Relations aufgestellt, das IR-Manager bei ihrer strategischen Managementaufgabe einhalten sollten:

  • „IR repräsentiert das Unternehmen und die entsprechende Kapitalmarktstory gegenüber dem Finanzmarkt und spiegelt die Außensicht zurück in das Unternehmen. Dabei nutzt IR eine Vielzahl von Kommunikationskanälen und -werkzeugen und stellt einen wesentlichen Teil der strategischen Gesamtkommunikation des Unternehmens dar. IR berät die Unternehmensführung hinsichtlich kapitalmarktrelevanter Aspekte und in Bezug auf die mögliche Kapitalmarktakzeptanz und -wirkung ihrer Entscheidungen.
  • IR-Verantwortliche verfügen neben einem exzellenten internen und externen Netzwerk über ein umfassendes Wissen bezüglich des eigenen Unternehmens, der Branche, des Kapitalmarkts und seiner Instrumente sowie des wirtschaftlichen und regulatorischen Umfelds.
  • Durch eine aktive, verlässliche und transparente IR-Arbeit, die weit über die Erfüllung regulatorischer Mindestanforderungen hinausgeht, wird eine realistische Wahrnehmung und Bewertung des Unternehmens am Kapitalmarkt und eine Optimierung der Kapitalkosten angestrebt. IR-Aktivitäten ermöglichen eine nachhaltige Steigerung des Vertrauens und der Anlagebereitschaft von Investoren. Sie tragen damit auch zur Erhöhung von Anlegerschutz und Markteffizienz bei.“ ¹⁰       ¹⁰  DIRK o. J.

Bei diesem Leitbild liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Aspekte wie Sachlichkeit, Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Zukunftsorientierung das Handeln von IR-Verantwortlichen bestimmen sollten. Betrachtet man die Grundsätze für effektive Finanzkommunikation der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), so zeigt sich eine ähnliche Ausrichtung: „Effektive Finanzkommunikation beruht auf der Glaubwürdigkeit des Managements von Unternehmen und glaubwürdig vorgetragener Kommunikation. Glaubwürdigkeit entsteht aus Erfahrungen der Kapitalmarktteilnehmer, insbesondere der Investment Professionals (Institutionelle Investoren und Finanzanalysten). Weiß man von einem Unternehmen, dass es frühere Aussagen und Prognosen eingehalten bzw. mögliche Abweichungen frühzeitig kommuniziert hat, vertraut man darauf, dass dies auch in Zukunft geschieht. Glaubwürdigkeit fungiert wie ein Vorschuss auf zukünftig zu erbringende Leistungen in Form von Vertrauen.“¹¹   ¹¹DVFA 2008, S. 4.


Die Equity Story und ihre Narrative
Um den Wert eines börsennotierten Unternehmens angemessen zu beschreiben, reicht reines Datenmaterial nicht aus. Ebenso wichtig ist, die Kapitalmarktstory nachvollziehbar und authentisch darzulegen.

Köhler und Hoffmann verweisen darauf, dass die Bedeutung der Narrative ständig steigt, was sie auf die zunehmende Bedeutung immaterieller Werte – wie nicht-finanzieller Daten und des Markenwerts – ableiten.¹²  Dieser Einschätzung ist zuzustimmen, wenn man bspw. den Marktwert der größten amerikanischen Tech-Unternehmen betrachtet, der vor allem auch auf eine ausgezeichnete Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen ist.   ¹²  Vgl. Köhler und Hoffmann 2018, S. 209–219.

Die Frage nach verbindenden, sinnstiftenden Erzählungen ist von besonderem Interesse, weil die Darstellungen beziehungsweise Kommunikationsaktivitäten der Investor Relations in unterschiedlichen Formen vorkommen „wie z. B. dem Lagebericht oder dem Umweltbericht sowie in Pressemitteilungen, Telefonkonferenzen und Investor-Präsentationen. Sie werden oft dem Teil der IR gegenübergestellt, der grundsätzlich anhand von Instrumenten der Rechnungslegung, wie z. B. Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Kapitalflussrechnung, zustande kommt.“ ¹³   ¹³ Ditlevsen 2022, S. 158.

Kirchhoff und Piwinger gehen davon aus, dass die Equity Story den Kern eines strategischen Konzepts des Unternehmens bildet, das Analysten und Investoren offeriert wird.¹⁴  Dabei handelt es sich um ein Argumentationskonzept, das die Kapitalmarktteilnehmer überzeugen soll, Eigenkapital einzuwerben bzw. um einen hohen Emissionspreis zu erlösen. Den Ausführungen zugrunde liegend wird das Geschäftsmodell in Verbindung mit den Kernkompetenzen des Unternehmens präsentiert. Die Equity Story hat deshalb an Bedeutsamkeit gewonnen, weil ein verschärfter Wettbewerb um Investoren infolge einer kontinuierlich steigenden Zahl börsennotierter Unternehmen entstanden ist. ¹⁴  ¹⁴ Vgl. Kirchhoff und Piwinger, 2009, S. 513.

Marianne Ditlevsen teilt die Auffassung von Ramirez¹⁵  und PR Newswire , dass eine Equity Story „folgende Elemente beinhalten sollte:

  • die Unternehmensstrategie und die Finanzstrategie, darunter das Leitbild, Errungenschaften, Dividendenpolitik und Zielkapitalstruktur,
  • die Stärken und die Branchenattraktivität des Unternehmens,
  • die wichtigsten Wettbewerbsparameter des Unternehmens,
  • die wichtigsten strategischen Geschäftsbereiche,
  • die wichtigsten Herausforderungen, Risiken und Chancen der Branche, deren
    Einwirkung auf das unternehmerische Geschäft und mögliche Antworten,
  • Fragen der Nachhaltigkeit und ihre Bedeutung für das Unternehmen,
  • Maßnahmen zur Unterstützung der Mitarbeiter als wichtigste Ressource.“¹⁷

¹⁵  Ramirez 2011, S. 75.     ¹⁶PR Newswire 2011, S. 5–6.    ¹⁷Ditlevsen 2022, S. 161.


Ein Beispiel für eine zielführende Investor-Relations-Website ist der Interauftritt der Siemens AG. Übersichtlich eingeteilt in die Rubriken „Warum in Siemens investieren?“, „Siemens Aktie, Anleihen und Rating“, „Events, Veröffentlichungen und Ad-hoc“, „Nachhaltigkeit“, „Hauptversammlung“, „Corporate Governance“ und „Service für Investoren“ werden Informationen bereitgestellt, die die Corporate Identity fördern.

Die Besucher der Website finden so unter anderem die Equity Story, Business-Fact-Sheets, ein interaktives Aktienchart, Jahres- und Quartalsergebnisse, einen Eventkalender, die Satzung und Geschäftsordnungen sowie FAQs, die alle wesentlichen Fragen von Aktionären beantworten. In ähnlicher Weise sind auch andere DAX-Unternehmen auf ihren Webseiten aufgestellt. Hervorzuheben ist, dass die Telekom Aktionären und Interessenten einen Internetdialog und einen YouTube-Kanal für Investor Relations anbietet.

Ebenso erwähnenswert ist, dass die Unternehmen mit Auszeichnungen werben, die auf Umfragen unter Investoren und Analysten basieren. Dazu zählen Prädikate wie Investors’ Darling (DAX), Institutional Investor, IR Magazine Awards oder Netfed IR Benchmark. In Deutschland prämieren bspw. Institutional Investor, die WirtschaftsWoche und der Deutsche Investor Relations Verband (DIRK) alljährlich außergewöhnliche Investor-Relations-Arbeit aus dem DAX30, MDAX und SDAX. Dahin gehend hat die BASF etwa mit ihrem Webauftritt für Investoren beim „Netfed IR Benchmark 2022“ den 2. Platz erzielt (s. Abb. 1).








Abb. 1: Startseite Investoren BASF (Quelle: BASF-Pressestelle)


5 Handlungsmotive unterschiedlicher Investorengruppen
Ausgangspunkt dieses Kapitels ist, dass sich Tätige auf dem Gebiet der Investor Relations auf unterschiedliche Investorengruppen einstellen müssen, wobei zwischen aktiven und passiven Investoren sowie privaten und institutionellen Investoren differenziert wird.

Den aktiven Investoren sind Privatanleger über institutionelle Investoren wie Pensionsfonds bis hin zu bspw. Hedgefonds zuzuordnen. Hier ist explizit anzumerken, dass sich die Anleger vermehrt öffentlichkeitswirksam an einem Unternehmen beteiligen, um bspw. eine Auflösung oder Abspaltung von Unternehmensteilen oder die Ausschüttung einer Sonderdividende durchzusetzen. Parallel dazu existieren passive Investoren (etwa Indexfonds, auch Investmentfonds genannt), die Aktien in einem bestimmten Index (bspw. dem DAX) erwerben, um die Performance des Fonds an dem Index festzumachen. Hinzu kommen sogenannte „quantitative“ Anlagemodelle, die computergestützt den Aktienmarkt nach Erfolg versprechenden Titeln selektieren.

Bei den privaten Investoren handelt es sich um natürliche Einzelpersonen, die auch als Anleger oder freie Investoren bezeichnet werden, wobei institutionelle Investoren juristische Personen sind (bspw. Anlagegesellschaften, Banken, Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Versicherungen), die zumeist über ein fundiertes Finanzwissen verfügen, um die Chancen und Risiken der Investmentformen und -produkte abwägen zu können.

Da die Handlungsmotive der heterogen zusammengesetzten Akteure häufig nicht transparent vorliegen, steht der Bereich der IR vor einer Herausforderung, denn die Equity Story des Unternehmens sollte nicht unterschiedlich kommuniziert werden. Hier gilt es, innerhalb der Story vorsorglich diverse Themenschwerpunkte für die jeweiligen Adressaten zu bilden, die einer stringenten Argumentation folgen.

Investor-Relations-Verantwortliche sollten ferner bedenken, dass die Investorengruppen durch externe Meinungen und Stellungnahmen beeinflusst werden:

  • Analysten liefern Einschätzungen von Unternehmen oder Branchen hinsichtlich Kauf- oder Verkaufsempfehlungen von Aktien.
  • Research-Einrichtungen der Banken beschäftigen sich mit Nachrichten, die die Aktienmärkte tangieren, und publizieren ihre entsprechenden Prognosen.
  • Kapitalanleger informieren sich seit rund zehn Jahren auch über das Social Web.¹⁸  Insofern übertragen börsennotierte Unternehmen ihre Kommunikationsstrategie auch auf das Internet und verbreiten IR-Informationen via Twitter und dem Filehosting-Dienst SlideShare. Hoch im Kurs stehen zudem das Businessnetzwerk LinkedIn sowie renommierte Finanzblogs.  ¹⁸ Vgl. Dillmann 2014.

Zu den Investorengruppen zählen bspw. Aktionäre, die von steigenden Gewinnen durch Ausschüttungen und Kurssteigerungen profitieren oder Fremdkapitalgeber (aus dem Bankensektor oder vom Kapitalmarkt), die Finanzmittel zur Verfügung stellen, um den fortlaufenden Unternehmenserfolg zu finanzieren. Walchshofer unterscheidet diese Gruppen folgendermaßen: „Fremdkapitalgeber legen vor allem Wert auf eine solide Unternehmensfinanzierung, stabile Cashflows und die Vermeidung von operativen Risiken, während Aktionäre durchaus bereit sind, höhere Risiken zu akzeptieren sowie diese zur Steigerung des Unternehmenswertes beitragen“.¹⁹   ¹⁹Walchshofer 2022, S. 593.

Aus dem Blickwinkel von Investor Relations müssen die teilweise diametralen Ansichten und Interessenlagen regelmäßig analysiert und bei der strategischen Kommunikationsarbeit berücksichtigt werden, wenn man ein Vertrauensverlust bis hin zu einem unternehmerischen Krisenszenario vermeiden will. Bei dieser Konstellation sollte u. a. nicht außer Acht gelassen werden, dass zahlreiche gesetzliche Vorgaben zur Kapitalmarktkommunikation zu erfüllen sind. Im Umfeld der Investorengruppen sind Ratingagenturen sowie Analysten und die Medien anzutreffen, die über wirtschaftliche Ereignisse berichten.

Ein weiterer Punkt, auf den in diesem Artikel eingegangen wird, ist die Kommunikation zwischen Entrepreneuren und Investoren. Gerade in den Anfangszeiten einer Unternehmensgründung mangelt es überwiegend an Kapital, weshalb eine Interaktion mit potenziellen Investoren unbedingt dazugehört. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass in einem späteren Stadium – beispielsweise zur Vorbereitung des Börsengangs – eine professionelle Kapitalmarktkommunikation (Investor Relations) obligatorisch ist. Bei der Finanzierung der Existenzgründung über Fremdkapital stehen fünf Optionen zur Verfügung (vgl. Tab. 2).


Investorenarten

Beschreibung des Engagements

Investitionssumme (circa)

Acceleratoren

Zeitlich begrenzte Mentoren-Programme, die über ihr Netzwerk und eine operativ-strategische Beratung junge Unternehmen fördern.

Beträge zwischen und 10 000 und  100 000 Euro.

Business Angels

Wohlhabende Privatpersonen („high net worth individuals“), die einen Teil ihres Vermögens direkt und in einer frühen Phase in kleinere Unternehmen investieren. Business Angels sehen den Exit in der Regel langfristiger als andere Investoren und sind eher bereit, mitzuwirken und ein risikoreiches Engagement einzugehen.

Beträge zwischen und    10 000 und 100 000 Euro.

Inkubatoren

Einrichtungen, die Start-ups während der Gründung und in den ersten Jahren danach unterstützen. Üblicherweise stellen sie die Infrastruktur, das Wissen um einen Gründungsprozess, etablierte Netzwerke, personelle Hilfestellung und teilweise Büroräume zur Verfügung. Bei den Inkubatoren handelt es sich bspw. um Gründer- oder Technologiezentren oder private Fernsehsender.

Im Tausch gegen Beteiligungen (meist über 25,1 %) stellen sie Kapital in Höhe von 25 000 bis     500 000 Euro bereit.

Venture Capitalists

Institutionelle Investoren, die in das eigene Unternehmen angelegte Gelder strategisch weiter investieren. Zu einem späteren Zeitpunkt werden die Beteiligungen dann mit einem entsprechenden Wertzuwachs wieder veräußert.

Beträge zwischen 500 000 und mehreren Millionen Euro.

Crowdfunding

Gebündeltes Investment privater Kleinanleger, die eine Geschäftsidee eines Start-ups oder neue Produkte bekannter Marken mitfinanzieren (bspw. Coca-Cola, Sony, Philips, Süddeutsche Zeitung oder Lego).²⁰

²⁰ Vgl. crowdfunding.de o. J.

Für das Investment werden drei Varianten angeboten: 1) Geldgeber unterstützen ein Projekt ohne Gegenleistung; 2) Geldgeber erhalten eine nicht-finanzielle Gegenleistung oder 3) den Anlegern wird eine Rendite in Aussicht gestellt.

Tab. 2: Investoren-Arten nach Tätigkeiten und Investitionssumme


6 Berufsbild Investor-Relations-Manager
Nunmehr konnte die Bedeutung der Investor-Relations-Manager für das Unternehmen und dessen Shareholder aufgezeigt werden. Aber: Wie sieht das entsprechende Berufsbild aus und welche Anforderungen werden gestellt?

In einer Finanzwelt sind sie das Sprachrohr für interne und externe Investor Relations und der erste Ansprechpartner für alle Anspruchsgruppen der Kapitalgeber. Die Berufsverbände Deutscher Investor Relations Verband und Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Assetmanagement sehen als passende Einstiegsvoraussetzungen für die Tätigkeit als Investor-Relations-Mitarbeiter ein betriebswirtschaftswissenschaftliches oder kommunikationswissenschaftliches Studium (bspw. in Finanzkommunikation) sowie Erfahrungen in der Finanzwelt und/oder der Öffentlichkeitsarbeit an. Defizite in der Ausbildung können durch Weiterbildungsangebote zum „Certified Investor Relations Officer“, „Certified International Investment Analyst“ oder „Certified European Financial Analyst“ ausgeglichen werden.

Die Aufgabenbereiche der Investor-Relations-Manager wurden in Kapitel 2 bereits beschrieben und beinhalten in Abstimmung mit dem Chief Financial Officer (CFO) des Unternehmens insbesondere die Organisation von Hauptversammlungen, Analystenkonferenzen und Roadshows, den Dialog nach innen und außen, die Erstellung von Geschäftsberichten und Ad-hoc-Meldungen. Idealerweise verfügen IR-Manager zudem über strategisches Denken, fließende Deutsch- und Englischkenntnisse und das wesentliche Finanz-Know-how der Organisationseinheiten Treasury, Controlling und Buchhaltung, da diese Bereiche vom CFO verantwortet werden. Darüber hinaus gehört auf jeden Fall dazu, die börsenaufsichtsrechtlichen Verpflichtungen, die Aufgaben und Einsatzfelder des Marktes für mittel- und langfristige Kredite und Kapitalanlagen sowie die strategischen Ziele des Unternehmens, für das ein IR-Manager tätig ist, bestens zu kennen. Letztlich ist ein diplomatisches Geschick erforderlich, um bei Verhandlungen mit unterschiedlichen Zielgruppen die Erwartungen des Unternehmens zu sichern.

Für die Beurteilung des Berufsbildes ist es von Relevanz, dass Unternehmen disruptiven Angriffen ausgesetzt und Geschäftsmodelle infrage gestellt werden. 27 Prozent von 450 befragten Industrieunternehmen in Deutschland rechneten schon 2019 mit einem Angriff auf ihr Unternehmenskonzept mit Industrie 4.0/Digitalisierungsinnovationen.²¹  Für IR-Manager bedeutet diese Entwicklung, dass Unternehmen Abwehr- und Vorsorgemaßnahmen treffen und eigene Umbauprogramme ausführen, die wiederum gegenüber dem Kapitalmarkt zu begründen sind. Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Durch die fortschreitende Digitalisierung und den erhöhten Einfluss der Nachhaltigkeit auf die Kommunikationspolitik von Unternehmen stehen alle Bereiche der Corporate Communication unter einem Erfolgsdruck, die wirtschaftlich-finanziellen und rechtlichen Positionen gegenüber kritischen Anspruchsgruppen zu vertreten und aufzuzeigen. Im Übrigen sind die Ansprüche neuer Investmentgenerationen gestiegen, die Antworten auf vorrangige Zukunftsfragen – wie nach Megatrends und deren Einfluss auf die Finanzkommunikation – einfordern.²²  

²¹ Staufen 08.03.2019.   ²²  Je nach Unternehmensgröße und Aufgabenfeld liegen die Gehälter zwischen 45 000 Euro (Junior-IR-Manager) und bis zu 200 000 Euro (Leitung Investor Relations).


7 Zukunft der Investor Relations
Wie aufgezeigt wurde, ist der Kommunikationsbereich der Investor Relations nicht mehr aus dem Finanzmarkt wegzudenken. Kapitalgeber und Kapitalnehmer sind auf organisatorische Einrichtungen angewiesen, die Aktionäre, Analysten, Medien und die Börsenaufsicht über Entwicklungen des Unternehmens zeitnah informieren, um eine möglichst realistische Wahrnehmung der wirtschaftlichen Einheit zu erzielen.

Durch den kontinuierlichen Dialog über die mittel- und langfristigen Perspektiven des Unternehmens sollen insbesondere das Zukunftspotential verdeutlicht, Vertrauen aufgebaut bzw. verstärkt und die Langfriststrategie vermittelt werden. Zum Vertrauensaufbau zählt ebenso, dass die IR-Funktion durch die interne Revision geprüft wird.²³  Zum anderen erscheint es von besonderer Bedeutung, dass das Vertrauen zwischen Anlegern und Unternehmen sich auf eine solide Grundlage stützt, sodass bei einer ungünstigen Geschäftsentwicklung die Bindung unter den Partnern weiterhin Bestand hat.  ²³ Vgl. EY 2021, S. 6.

In der Argumentation wurde u. a. darauf hingewiesen, dass die Informationen zeitnah und zuverlässig kommuniziert werden müssen, um gegebenenfalls Lösungsperspektiven im gegenseitigen Einvernehmen zu erschließen. Es lohnt sich jedenfalls genauer auf die Zahlen, Daten und Fakten zu schauen, damit in der digitalen Welt eine Fehleinschätzung beziehungsweise Überwertung von Unternehmen vermieden wird und sich kein Börsencrash einstellt wie bspw. in den späten 1990er Jahren mit der Dotcom-Blase.

Aus diesem Grund wird auf die aktuelle Studie „Zukunft in den Investor Relations“ des Deutschen Investor Relations Verbands und des marktführenden Unternehmens für Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung EY hingewiesen: „An erster Stelle steht weiterhin der Erhalt des Investorenvertrauens, gefolgt von niedrigen Kapitalkosten und regulatorischer Compliance. Jedoch gewinnen an vierter und fünfter Stelle die Ziele ‚Sicherstellung eines offenen Zugangs zum Kapitalmarkt‘ und ‚geringe Aktienkursvolatilität‘ in Zukunft für Investor Relations Officers (IROs) eine höhere Bedeutung. Dabei werden in der Kommunikation der Capital Market Story Themen wie Purpose und Nachhaltigkeit immer wichtiger.“ ²⁴   ²⁴ EY 2021.


Schlagwörter: Investor Relations – Kapitalmarktkommunikation – Aktienkurs – Equity Story – Investorengruppen – Strategic Management – IR-Informationsträger

Literatur
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