Das Diktat der Medien.
Wie unsere Meinungen manipuliert werden.
Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni
1988
Journalismus ist die Praxis des Sammelns, Überprüfens, Schreibens und Verbreitens von Nachrichten und Informationen über verschiedene Medienkanäle wie Zeitungen, Magazine, Fernsehen, Radio und Online-Plattformen. Journalisten recherchieren und berichten über aktuelle Ereignisse, Trends, Analysen und Hintergrundgeschichten, um die Öffentlichkeit zu informieren, damit sich diese einen Eindruck über die Geschehnisse verschaffen und eine Meinung bilden kann.
Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde, Sorgfalt, Schutz der Persönlichkeit sowie Grenzen der Recherche sind wesentliche Merkmale des Journalismus, um das Ansehen der Medien und die Berichterstattung sicherzustellen (vgl. Publizistische Grundsätze/Pressekodex vom 22.03.2017).
Auf den folgenden Unterseiten können Sie Beiträge u.a. zu folgenden Bereichen abrufen:
• Einsatz von KI im Journalismus
• Journalismus vs. Influencer
• New York Times (Interview)
Vielen Dank für ihr Interesse!
Der nachfolgende Beitrag stammt aus folgendem Buch: Hermanni, A.-J. (1988). Die Meinungsmacher. Wie unsere Meinungen manipuliert werden. Neuhausen-Stuttgart: Hänssler. Vorab vier Rezensionen zum Buch:
“Hermanni diagnostiziert richtig, dass die Macht der Medien schneller gewachsen ist als das demokratische Verantwortungsbewußtsein vieler Journalisten.”
Prof. Dr. Dr. Elisabeth Noelle-Neumann, Institut für Demoskopie Allensbach
“In einem Jahr, in dem die Affäre Barschel in Kiel die Frage ‘Was dürfen Journalisten?’ aktueller wurde denn je, ist ein Buch, das sich die journalistische Berufsethik zum Thema macht, notwendiger denn je.”
Dr. Peter Glotz, MdB und ehemals Bundesgeschäftsführer der SPD
“Sehr informatives Material ... Das Plädoyer für Selbstkontrolle der Medien ist zu begrüßen.”
Volker Schulze, Geschäftsführer, Bundesverband deutscher Zeitungsverleger
„Die Publikation zeichnet sich durch Offenheit und couragierten Einsatz für ein Problem aus, das seit geraumer Zeit in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung bevorzugt behandelt wird, nachdem es jahrzehntelang vernachlässigt wurde. […] Dies tut er, indem er mit einer erstaunlichen Fülle von Beispielen aus den Medienproduktionen der letzten Jahre aufwartet und so auf vielfältige Weise die Abweichungen von der Norm veranschaulicht. Doch er begnügt sich nicht mit diesen Hinweisen, sondern versucht eine Systematik. Sie enthält sowohl Abweichungen als auch Warnungen und Vorschläge für das richtige publizistische Handeln. Sehr verständlich können solche Äußerungen nur subjektiv sein, doch sie zeugen von einer entsprechenden praktischen Erfahrung des Autors und ihrer Reflexion.“
Prof. Dr. Franz Ronneberger, Inhaber des Lehrstuhls für Politik- und Kommunikationswissenschaft der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg
Auch Prof. Dr. Heinz Pürer, Vorstand des Instituts für Kommunikationswissenschaft
(Zeitungswissenschaft) der Universität München, hat in seinem Aufsatz Journalismus-Krisen und Medien-Ethik krisenhafte Erscheinungen im Journalismus angemahnt: „Aus der individualethischen Sicht, wie sie heute von Hermann Boventer, Alfons Auer, Günther Virt, Alfred Joachim Hermanni, Elisabeth Noelle-Neumann, Gerd Bacher und anderen mehr vertreten wird, wird ein hohes Niveau berufsethischer Grundsätze angestrebt. Neben einer qualifizierten fachlichen und handwerklichen Ausbildung wird eine persönliche berufsethische Fundierung gefordert, die die besondere persönliche journalistische Verantwortung bewußt machen soll.“ (Communicatio Socialis 23 (1990), Nr. 1: S. 7. Quelle: www.communicatio-socialis.de).
Einleitung
Die Medien als die wichtigsten Vermittler von Informationen haben in unserer Gesellschaft eine herausragende Verantwortung. Zuweilen, wie erst jüngst in der Barschel-Affäre, rückt diese Tatsache scharf in das öffentliche Bewusstsein, zu anderen Zeiten bleibt sie eher im Hintergrund. Aber sie ist immer da.
Hierzu möchte ich zugleich eingangs feststellen: Eine lebensfähige Demokratie setzt den informierten Bürger voraus. Deshalb muss im Mittelpunkt der journalistischen Berufsethik die Verantwortung vor der Wahrheit in der Berichterstattung stehen, getreu dem alten Grundsatz, dass die Wahrheit gedrückt, aber niemals unterdrückt werden kann. Ohne einen Wahrheitsanspruch kann keine Gesellschaft auskommen, da mit Nicht-Wahrheiten – Lügen, Täuschungen, inhaltsschweren Auslassungen – ein Zusammenleben auf Dauer unmöglich wird. Informationen müssen deshalb den Tatsachen entsprechen; anders ist eine verbindliche Kommunikation in unserer Demokratie nicht möglich, da sie auf dem öffentlichen Kreislauf der Meinung-, Willens – und Entscheidungsbildung basiert.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung immer wieder bekräftigt, dass die Freiheit der Medien für die Demokratie „schlechthin konstituierend“ sei und die Demokratie ohne sie nicht funktionsfähig. Für die breite Öffentlichkeit sind die Medien oftmals die einzige, zumindest aber wichtigste Informationsquelle. Deshalb muss der Öffentlichkeit ein reales Weltbild und nicht ein Zerrbild dieser Welt vermittelt werden, und somit dürfen auch keine Kommunikationsbarrieren aufgebaut werden, wie sie seinerzeit der britische Premier Wilson Churchill tolerierte, wenn er sagte: „Nur Kinder, Narren und sehr alte Leute können sich es sich leisten, immer die Wahrheit zu sagen.“
Wo der Prozess der Manipulation in Gang gesetzt wird, steht an dessen Ende der Verlust aller ethischen Normen. Dies ist zugleich das Ende einer funktionierenden Demokratie, die auf wahre und damit lebensfähige Kommunikation sowie auf den Konsens gemeinsamer Werte (Grundwerte wie Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Freiheit, Toleranz) angewiesen ist.
Bedauerlicherweise gibt es bisher keine gesamtgesellschaftliche Vereinbarung über Ethikregelungen für das konkrete journalistische Handeln. Die ethischen Fragen, die den Gesamtkomplex betreffen, werden immer häufiger durch die Gerichte entschieden. Wer an einer verbindlichen Standesethik mitarbeiten will, der sollte jedoch zuvor bedenken, dass nur aus dem journalistischen Selbstverständnis heraus einzig bildendes Berufsverständnis entstehen kann. Bisher arbeitete der Journalismus ohne ausreichende, fachlich abgestimmte Kompetenzgrundlagen. Wer aber wie der Journalismus stellvertretend für andere ein Grundrecht in Anspruch nimmt und mit öffentlichen Privilegien ausgestattet ist, der muss sich kompetenter Kritik stellen. Der Journalismus ist besonders aufgrund seiner weitreichenden Wirkungen auf die gesellschaftliche Kultur mit ihren Gattungen sowie Sinn- und Wertmustern mehr als philosophiebedürftig.
In einer Orientierungskrise, wie von einigen Medienkritikern behauptet, sehe ich ihn allerdings nicht, auch wenn äußere Gegebenheiten nicht immer mit inneren Einstellung zusammenpassen. Der Anspruch zwischen sozial-gesellschaftlichen Themenstellungen und zwischenmenschlichen Gepflogenheiten des journalistischen Alltags ist natürlich gelegentlich schwer auszumachen. Vielleicht liegt es daran, dass seit den sechziger Jahren eine veränderte Einstellung der Journalisten zu ihrer Tätigkeit registriert wird: vom „Wächteramt“ der Medien zum Postulat nach „kritischem Journalismus“?