Strategisches Management.

Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni

08.11.2022



Der nachfolgende Beitrag stammt aus folgendem Bestseller: Hermanni, A.-J. (2022). Business Guide für strategisches Management. 50 Tools zum geschäftlichen Erfolg. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler.  https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-37742-7?source=shoppingads&locale=de&gad_source=1



Die Welt gehört denen, die strategisch denken. Aber wie? Es ist kein sonderliches Geheimnis, dass zahlreiche Unternehmensführer ihre Strategien von bedeutenden Feldherren wie dem König von Makedonien Alexander der Große¹, dem französischen General und Kaiser Napoleon Bonaparte², dem chinesischen General und Militärstrategen Sunzi³ und dem preußischen General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz⁴ ableiten.

Reinhold Würth bildet hier keine Ausnahme, als er Anfang der Sechzigerjahre individuelle Prioritäten im Wettbewerb um die Marktführerschaft in der Schraubenbranche festlegte: „Im Wettbewerb wie im Krieg wählt man ja zwischen verschiedenen Strategien, um sein Ziel zu erreichen. Jedes Unternehmen, jede Armee hat nur begrenzte Ressourcen, sodass man bestimmte Prioritäten setzen muss, um den optimalen Return on Investment zu erzielen. Ich bin wahrscheinlich etwas unorthodox vorgegangen, indem ich unsere Kräfte nicht auf einen bestimmten Punkt konzentrierte – nach der Devise: eine Lücke suchen, durchbrechen und die Front von hinten aufrollen. So sind wir Deutschen in den Panzerschlachten des Zweiten Weltkrieges verfahren. Eine solche Strategie wirkt zwar verhältnismäßig schnell, ist aber auch riskant […] Ich habe andere Prioritäten gesetzt, in dem ich nicht erst den deutschen Markt erschloss und dann ins Ausland ging, sondern umgekehrt […] Man kann meine Strategie in folgendes Bild fassen: Anstatt den Druck auf einen bestimmten Punkt der Front zu konzentrieren, um hier den Durchbruch zu erzwingen, habe ich den Druck auf die ganze Front verteilt, über mehrere Jahre aufrechterhalten und schließlich die Front in voller Länge eingedrückt. Es war wie ein Ermüdungsbruch. Aber dadurch sind wir nicht nur in Deutschland, sondern zugleich auch weltweit Marktführer geworden.“⁵

Wenn von Erfolg gesprochen wird, fällt dieser Begriff häufig im Zusammenhang mit einer Strategieumsetzung. Damit ist gemeint, dass der Leader Leitlinien, Ziele, Berechnungen und Vorgehensweisen entwickelt, die in konkrete, operative Handlungsanweisungen münden. Diese Anweisungen ermöglichen ein effizientes Arbeiten, beanspruchen jedoch ein universelles Verantwortungsbewusstsein – im Außenverhältnis gegenüber Kunden, Subunternehmern/ Lieferanten und freien Mitarbeitern, im Innenverhältnis gegenüber Gesellschaftern/Geldgebern und festen Mitarbeitern. Es ist mitnichten nur eine Legende, dass Organisationen das große Ganze mit inhaltlichen Vorhaben, Gestaltungsmöglichkeiten und relevanten Zielsetzungen entwickeln, planen und umsetzen. Im Besonderen das strategische Management erarbeitet vielfältige Absatz-, Personal-, Produktions-, Wachstums- und Wettbewerbspläne zur Erreichung wirtschaftlicher Ziele.

Um eine Strategie nachhaltig und wertbeständig zu entwerfen, deren Zeithorizonte im Allgemeinen zwei bis fünf Jahre einschließen, empfiehlt es sich, die Vorgehensweise in einen idealtypischen Ablauf zu unterteilen, z. B. so:

  • Prozess zur übergeordneten Zielsetzungsfindung (Festlegung der zukünftigen Unternehmenspolitik, Einführung bzw. Aktualisierung einer Unternehmenskultur einschließlich Nachhaltigkeitsrichtlinien)
  • Unternehmens- sowie Umweltanalyse (interne Betrachtung einschließlich Finanzplanung, Ressourcen, Innovationsbedarf sowie Markt-/Konkurrenzbetrachtung, Trends, Prognosen)
  • Auswahl qualitativer und quantitativer Ziele (etwa Konsolidierung, langfristige Rentabilität, Qualitätssicherung, Risikominimierung, Mitarbeitermotivation) sowie Fixierung der Vorgehensweise
  • Implementierung der Strategien (Umsetzungsprozess, Installation der ausgewählten Managementinstrumente, gestützt durch einen interaktiven Managementprozess)
  • Überwachung des Masterplans (nach Phasen und Zeitvorgaben einschließlich prozessbegleitenden Controllings).

Wir alle kennen genügend Chief Executive Officers, die ihr strategisches Ziel nicht erreichten, weil sie zwischenzeitlich den Überblick verloren hatten oder weil sie durch übertriebenen Ehrgeiz und rastlosen Aktivismus auf firmeninternen Widerstand stießen. Deshalb machen wir uns nichts vor: Maßnahmen zur Festigung des langfristigen Erfolgs sollten schrittweise erfolgen, um einer Beständigkeit den Weg zu ebnen. Wenn man sich nicht fokussiert, nimmt die Zahl offener Baustellen stetig zu, woran man dann aller Wahrscheinlichkeit nach scheitert. Aber soweit soll es ja gar nicht erst kommen. Im Gegenteil: Jack Welch, der frühere CEO von General Electric, verweist zur erfolgreichen Strategiefindung auf fünf Fragestellungen:

  1. Wie sieht das Wettbewerbsumfeld aus?
  2. Was hat die Konkurrenz zuletzt hervorgebracht?
  3. Womit haben wir selbst zuletzt geglänzt?
  4. Welche künftigen Ereignisse oder möglichen Entwicklungen rauben uns nachts den Schlaf?
  5. Und wenn wir all das zusammennehmen, welchen Schachzug müssen wir jetzt machen, um ganz vorne mitzuspielen?⁶

Das o.a. Prozessmodell lässt sich noch durch Fragen ergänzen, warum manche Unternehmen in einer Branche erfolgreich sind und andere wiederum nicht. Z. B.: Welche Kernfähigkeiten weisen die stärksten Mitbewerber auf? In welchen Geschäftsfeldern erzielt der Wettbewerb die höchsten Umsätze? Welche langfristigen Ziele verfolgt die Konkurrenz?

Die wichtigste Lektion: Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg einer Strategie ist, dass Sie als CEO die Truppen mobilisieren! Wie Sie das anstellen sollen? Von den Griechen wissen wir, dass unter dem Begriff „Strategie“ die Feldherrenkunst verstanden wurde, durch eine längerfristige Planung unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel und Möglichkeiten militärische Ziele (Siege) herbeizuführen. Nach verbreiteter Meinung gilt es also, Menschen – in unserem Fall Mitarbeiter von Unternehmen – zum Erfolg zu führen. Und zwar richtungsweisend. Vermutlich denken Sie, das kann prinzipiell nicht schwierig sein. Falsch, weil sich eine Unternehmensstrategie nicht so einfach en détail planen lässt, geschweige denn voraussehen, wie unser vielfältiges Themenspektrum zeigt. Einige Beispiele:

  • In welche Richtung entwickeln sich die Märkte? Soll sich das Unternehmen besser auf das Kerngeschäft konzentrieren oder breit aufstellen?
  • Ergeben sich spürbare Vorteile aus Investitionen? Und wenn ja, soll das Unternehmen auf schnelles, wahrscheinlich risikoreiches oder langsames, hoffentlich gesundes Wachstum setzen?
  • Welche Chancen ergeben sich aus der Einführung von Nachhaltigkeitsstandards bzw. aus Kostensenkungsmaßnahmen durch drastischen Personalabbau?
  • Wie sehen langfristig die Kundenanforderungen aus: Flexible Produktion oder starre Fertigungsabläufe?
  • Welche Strategie erscheint angesichts aufstrebender Mitbewerber aussichtsreicher: Fokus auf Zahlen (Umsatzwachstum und Gewinn) oder auf Ausbau des Marktanteils?

Es ist eine Illusion, zu glauben, dass man all diese und andere Aspekte dauerhaft im Griff hat. Sie stimmen mir jedoch zu, dass Eigentümer und Geschäftsführung bei ihrer strategischen Ausrichtung gerade Antworten auf Fragen finden müssen, die in der Zukunft liegen. Dazu zählt auch die Frage, welches Zeitfenster für ein Geschäftsmodell vorteilhafter ist: Soll man einen Fünfjahresplan aufstellen oder nach den Quartalszahlen schielen? Wenn ein Drei-Monate-Rhythmus festgesetzt wird, weil die Quartalszahlen stimmen müssen, kann man kaum von einer qualitativen und vorausschauenden Strategieplanung sprechen. Andererseits ist ein Zyklus von fünf Jahren für etliche Branchen viel zu lang. So unterliegen beispielsweise Firmen im Techniksegment einem sprunghaften Wandel; auch ändern sich permanent wirtschaftliche Rahmenbedingungen und finanzielle Größenordnungen. Sie sehen, Manager können nicht alles kontrollieren – und vor allem nicht die Zukunft.

Was wäre, wenn Sie sich zunächst auf eine übergeordnete Strategie festlegen? Zum Beispiel: Differenzierungsstrategie, Kostenführerschaft oder Fokussierung auf Schwerpunkte. Um dies an einem Beispiel aus der Branche der Luftverkehrsgesellschaften zu verdeutlichen: Lufthansa wählte die Differenzierungsstrategie, Germanwings als „Billigfluggesellschaft“ Kostenführerschaft und Sylt Air die Fokussierung auf Schwerpunkte (die Airline verkehrt zwischen Hamburg und Sylt). Vieles ist möglich. Eine perfekte Balance zwischen unterschiedlichen Strategien schafft Singapur Airlines, wiederholt zur besten Fluggesellschaft der Welt gekürt. Singapur Airlines führt parallel zentrale wie auch dezentrale Innovationen ein, ist technologisch gleichermaßen Pionier (setzt konstant auf eine junge Flotte, wodurch u. a. weniger Reparatur- und Wartungsarbeiten anfallen) und Nachhut (Buchungs- und Verwaltungsarbeiten wurden an Billiganbieter im Ausland vergeben), dreht zugleich an der internen Kostenschraube (u. a. für Personalausgaben, Büros, Unterkünfte des Flugpersonals), während den Passagieren ein exzellenter, qualitativ hochwertiger Service geboten wird. Der Spagat zwischen den strategischen Gegensätzen geht vor allem deshalb auf, weil die asiatische Airline als attraktiver Arbeitgeber gilt, das Personal länger als der Branchendurchschnitt schult und ihm auch Bonusregelungen für lohnende Kosteneinsparungsvorschläge gewährt. Ansporn tut gut. Obendrein erzielt Singapur Airlines höhere Gewinne als der Durchschnitt der Flugbranche.

Viginia Rometty, CEO bei IBM von 2012 bis Januar 2020, wurde einmal gefragt, nach welchen Kriterien sie den Erfolg des IT- und Beratungsunternehmens messen würde, bspw. nach dem Aktienkurs oder Umsatzwachstum. Rometty verfolgte aber ein ganz anderes, strategisches Ziel unter kaufmännischer Vernachlässigung kurzfristiger Gewinne oder Verluste: Worauf ich mich und der Vorstand am meisten konzentrieren, ist die Transformation von IBM für die nächste kognitive Ära.⁷

Hinsichtlich seiner Zukunftsentwürfe für den Disney Konzern stellte Robert Iger bei seiner Bewerbung um das Amt des CEOs im Jahr 2005 drei strategische Prioritäten auf: (1) Wir müssen die meiste Zeit und unser Kapital in die Erstellung hochwertiger Markeninhalte investieren. (2) Wir müssen die Technologie in vollem Umfang nutzen, indem wir zuerst Produkte mit höherer Qualität herstellen, um noch mehr Verbraucher auf moderne und entscheidende Weise zu erreichen. (3) Wir müssen ein wirklich globales Unternehmen werden. Wir verfügen über eine breite Reichweite und sind in zahlreichen Märkten weltweit tätig, aber wir müssen bestimmte Märkte besser durchdringen, insbesondere die bevölkerungsreichsten Länder der Welt wie China und Indien.⁸ 

Der springende Punkt ist, dass Chief Executive Officer einen genauen Plan zur Entwicklung ihrer Strategie benötigen, bei dem vorab alle erdenklichen Faktoren auf ihre Auswirkungen hin ins Kalkül einbezogen werden. Unter den gegebenen Voraussetzungen schälen sich Anforderungen heraus, die zu entscheidenden, wesentlichen Aspekten für zukünftige Vorhaben werden können. Steve Ballmer (*1956), von 2000 bis 2014 CEO von Microsoft, konnte mit drei einfachen Ks bekräftigten, was das Technologieunternehmen in Redmond braucht, damit es gewinnbringend sein kann:

  1. Konzepte – also faszinierende Ideen für ein Produkt,
  2. Können – Ingenieure und Designer, die die Produktidee perfekt umsetzen,
  3. Kultur – eine Unternehmenskultur, die offen ist für neue Konzepte und kluge Partnerschaften.⁹

Tatsache ist: Am Ende einer strategischen Planung sollte eine Ergebnisverbesserung stehen. Um diese hinzukriegen, setzen Sie idealerweise auf drei bewährte Grundsätze: Flexibilität bei geschäftlichen Entwicklungsaufgaben, zügige Umstellungen bei Produktionsprozessen bzw. Dienstleistungen und fortlaufende Zielanpassungen. Gleichzeitig beobachten Sie bitte zukunftsweisende Tendenzen für Ihr Geschäft und ziehen daraus inspirierende Schlussfolgerungen. Und zwar allgegenwärtig.

Wenn das so weit geklärt ist, handeln Sie tunlichst nach dem Vorsatz, dass eine Produktion dem Markt folgt und nicht umgekehrt (was erfahrungsgemäß in den seltensten Fällen zu einem positiven Ergebnis führt, außer Sie haben etwas wirkliches Einzigartiges zu bieten, das alles Vorhandene toppt). Sie wollen wissen, wie man ein Unternehmen nach einem Marktbedarf ausrichtet? Gerne. Als beispielsweise die Herausgeber des überaus angesehenen Nachschlagewerks Encyclopaedia Britannica erkannten, dass diesem als Druckerzeugnis keine Zukunft beschert sein würde, erneuerten sie das annähernd 250 Jahre alte Produkt und digitalisierten es. Dabei führten sie u. a. bezahlbare Unterrichtsmaterialien, gestützt auf staatliche Lehrpläne, ebenso ein wie zukunftsorientierte Vertriebskanäle. An einer Maxime wurde jedoch bei den Modernisierungsmaßnahmen niemals gerüttelt: an der redaktionellen Qualität der Encyclopaedia. Fürwahr, das kräftige Wachstum bestätigt den eingeschlagenen Kurs. Und dem Geschäftsmodell gelang eine Kontinuität durch fundamentale Veränderung.

Und wie schnell kann eine geschäftliche Strategie finanzielle Früchte tragen? Die Fragestellung ist wohlbekannt und kann nicht pauschal beantwortet werden. Ein Erfolgsrezept hängt von vielen Komponenten ab: der Innovationskraft des Businesskonzepts, der Motivation der Mitarbeiter, den finanziellen Mitteln, kreativen Marketingplänen und technischen Ressourcen. Entsprechend ausgeprägt sind die zahlreichen Möglichkeiten und echten Prüfsteine. Man könnte auch sagen: Der Ausgang ist offen. Zumeist schneller geht es, wenn man die fabelhafte Strategie anwendet, fremde Menschen in ein Businesskonzept einzuspannen, um dieses weiterzuentwickeln und um eine Kettenreaktion auszulösen. Eine solche Meisterleistung beherrschen Firmen wie McAfee oder Apple par excellence. Sie bilden im Internet Communitys und animieren externe Personen, Programmierer oder technisch affine Fans, progressive Computerprogramme zu entwickeln und zu vermarkten (Apple via App Store) bzw. Kundenfragen in Foren zu beantworten (McAfee). Und das alles gratis! Eine clevere Herangehensweise, Zielgruppen einzubinden und neue zu erschließen. Des Weiteren haben derartige Community-Projekte einiges gemeinsam: Die Firmen sparen interne Kosten für Personal, Forschung sowie Entwicklung und fördern innerhalb der Plattformen ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Doch Vorsicht ist geboten: Als CEO muss man genau überlegen, wie viel Einsicht und Zugriff externen Kräften auf strategische Bereiche und Sicherheitsprozesse gewährt werden soll, sonst kann man schnell die Kontrolle über den eigenen Laden verlieren.




¹ Alexander der Große (356 – 323 v. Chr.) besiegte, geprägt von strategischem Instinkt, bei seinen Feldzügen die Perser, Ägypter und Inder.

² Bonaparte (1769-1821) gilt als militärisches Genie und soll mehr Schlachten geführt haben als Karl der Große, Hannibal und Cäsar zusammen.

³ Sunzi (um 544 v. Chr. – 496 v. Chr.) philosophierte „Über die Kriegskunst“.

⁴ Clausewitz (1780–1831) befasste sich mit der Theorie „Vom Kriege“.

⁵ Würth (1999). In: Timmerberg, H. (2021). Reinhold Würth. Der Herr der Schrauben. München: Piper. S. 49-50.

⁶  Welch (2007). Winning – Die Antworten. New York: Campus Verlag.

⁷ Vgl. Rubenstein, D.M. (2020). How to lead. Wisdom from the World’s greatest CEOs, Founders, and Game Changers. New York: Simon & Schuster, S. 178.

⁸ Vgl. Iger, R. (2019). The ride of a lifetime. Lessons learned from 15 Years as CEO of the Walt Disney Company. Random House: New York, S. 101-102.

⁹ Vgl. Nadella, S. (2021). Hit refresh. Wie Microsoft sich neu erfunden hat und die Zukunft verändert. Plassen: Kulmbach, S. 128.






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