Digitalisierung: Chancen & Herausforderungen für Medien und Kommunikation.
Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni
16.03.2017
Der nachfolgende Beitrag ist in der SRH Schriftenreihe "Digitalisierung in Wirtschaft und Wissenschaft" erschienen und auch über SpringerLink abrufbar: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-17405-7_2
1 Einleitung
Die Digitalisierung – auch vierte industrielle Revolution genannt¹ – verändert die Rahmenbedingungen der Wirtschaft und beeinflusst Herstellung, Marketing und Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen. Im Zuge dessen verändern sich Handelsplätze und entstehen neue Märkte, bilden und vernetzen sich progressive Wertschöpfungsketten mit Informations- und Kommunikationstechnologien. ¹ Anmerkung: 1. Revolution: Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft; 2 Revolution: Massenproduktion an Fließbändern und Einführung der elektrischen Energie; 3. Revolution: Einsatz von Elektronik und Informationstechnologien.
Alle Wirtschaftszweige sind von diesen revolutionären Veränderungen betroffen, insbesondere auch die Medien- und Kommunikationsbranche, die einerseits als Content-Lieferant fungiert und anderseits durch die modernen Technologien unermessliches Wachstumspotenzial gewinnt.
Der vorliegende Beitrag greift fünf zentrale Themenstellungen auf, die sich mit den Umstellungen auf den Arbeits- und Gütermärkten der Medien- und Kommunikationsbranche befassen, und verweist auf angrenzende Debatten.
2 Die Medien- und Kommunikationsbranche als digitaler Wachstumstreiber
Welche Branchen sind die wichtigsten Wachstumstreiber aus digitaler Perspektive? Vertraut man den ökonomischen Statistiken, handelt es sich vor allem um die Informations- und Kommunikationstechnik, gefolgt von Maschinen- und Anlagebau sowie Kraftwagen- und Kraftwagenteile.² ² Vgl. Bitkom / Fraunhofer IAO (27.08.2016)
Betrachtet man wiederum die großen Tätigkeitsfelder der richtungsweisenden Informations- und Kommunikationstechnik, so stellt diese Branche Technologien bereit, die die Übermittlung von Informationen durch den Raum (Kommunikation) und durch die Zeit (Speicherung) ermöglichen. Darunter fallen Kommunikationsinstrumente beziehungsweise -anwendungen wie Fernsehen, Hörfunk, Internet, MP3-Player, Software für Computer oder Spielkonsolen.
Aus der Aufzählung wird deutlich, dass diese Übertragungssysteme und Speichermedien auf Content angewiesen sind, der zu einem großen Teil aus der Medien- und Kommunikationsbranche stammt, beispielsweise für die inhaltliche Befüllung der Rundfunkveranstaltungen und Internetplattformen. Die digitale Entwicklung entpuppt sich als Vorteil für die Medien- und Kommunikationsbranche, da es sich bei ihren Produkten um keine Fließbandwaren handelt, die standardisiert und automatisiert werden können. Eine Besonderheit ist hier die hohe kreative Eigenleistung, die weitgehend keine routinierten Arbeitsabläufe zulässt. Produkte müssen permanent konzipiert, gestaltet und realisiert werden. Insofern stellen Roboter oder Maschinen nur eine geringe Gefahr für Medienschaffende dar. So machten u.a. Frey und Osborne von der University of Oxford bereits 2013 darauf aufmerksam, dass das Automatisierungsrisiko bei Akademikern in kreativen Berufen gering ist.³ ³Vgl. Frey, C. B. / Osborne, M. A. (2013).
Summa Summarum sprechen wir von elf Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft, die erwerbswirtschaftliche Interessen vertreten und sich mit der Konzeption, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/kreativen Gütern und Dienstleistungen beschäftigen. Um welche Märkte bzw. Content-Produzenten es sich handelt, zeigt die folgende Abbildung.
Abbildung 1: Digitale Content-Produzenten der Kultur- und Kreativwirtschaft
(Quelle: Hermanni, A.-J.: 2016)
Bei dieser Aufzählung darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass circa 92 Prozent der Arbeitsplätze in der Kultur- und Kreativbranche digital betrieben werden. Untersucht man beispielsweise die Musik- beziehungsweise Filmbranche, so werden deren Produkte seit Ende der 1990er Jahre digital hergestellt und zu einem großen Teil über das Internet gestreamt oder downgeloadet.
Die fortschreitende Digitalisierung kommt bei den Content-Lieferanten uneingeschränkt zum Einsatz – insbesondere in der Film-und Fernsehbranche, die sich der innovativen Produktions- und Wiedergabetools bedient. Angesichts der unbestritten hohen Relevanz der audiovisuellen Massenmedien führt die Europäische Union gerechte Rahmenbedingungen für alle Akteure ein, um die kulturelle europäische Vielfalt und den freien Verkehr von Filminhalten zu fördern und um einheitliche Wettbewerbsbedingungen aufzustellen:
- Europaweite Verbreitung von Fernsehprogrammen
- Förderung der Produktions- und Vertriebsmöglichkeiten europäischer Film- und Fernsehproduktionen
- Harmonisierung nationaler Vorschriften zu Werbung, Sponsoring und Teleshopping
- Aktualisierung der Bestimmungen für den audiovisuellen Bereich. Im Fokus der Neuerungen stehen neue Abrufdienste und Online-Plattformen, die zu einem Mindestanteil europäischer Inhalte verpflichtet werden sollen.⁴ ⁴ Vgl. EU-Kommission (01.09.2016)
Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: In einem Wirtschaftssystem, das auf Wachstum und Gewinnsteigerung basiert, ist jedes Unternehmen und jede Organisation auf technische Fortschritte angewiesen, um mehr Güter und Dienstleistungen produzieren zu können. Angebot und Nachfrage bestimmen erfahrungsgemäß die Märkte. Also, wenn beispielsweise Content-Anbieter zukunftsweisende Programmformate entwickeln und die IT-Branche hierfür Absatzmärkte sehen, werden die erforderlichen Technologien entwickelt und bereitgestellt. Durch universelle Kooperations- und Netzwerkpartnerschaften sind digitale Angebote wie HD-Fernsehen, Streaming-Dienste, iTunes-Store oder das Digitalradio entstanden. Von dieser Warte aus betrachtet, ist die Medien- und Kommunikationsbranche – neben anderen Faktoren wie Konsum, Handel, technischer Fortschritt und arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen – ein entscheidender Treiber.
Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass immer mehr Medienunternehmen zu E-Commerce-Händlern werden, weil Abonnenten und Werbekunden zunehmend ins Internet abwandern und dadurch Existenzen als Rundfunkveranstalter oder als Verlag bedroht sind. Hieraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass zahlreiche Unternehmen bisher nicht die Chance ergriffen haben, digitale Angebote und Geschäftsmodelle zu etablieren, die ökonomisch profitabel arbeiten. Gemeinhin können beispielsweise die Auflagenrückgänge mancher Zeitungen nicht pauschal als Folge einer wachsenden Internetnutzung gekennzeichnet werden. Immerhin sind die meisten Medien (einschließlich Tageszeitungen und Zeitschriften) rentabel und erwirtschaften für die Eigentümer teilweise hohe Gewinne. Ausschlaggebend hierfür ist u.a., dass die Unternehmen das sogenannte „Kreis-Konvergenz-Modell des Medienmanagements“ praktizieren, das eine Bündelung oder Integration von Mehrwerten zulässt. Das Kreis-Konvergenz-Modell des Medienmanagements weist mehrere Eigenschaften auf: Zum einen erledigt jeder Kreis seine Aufgaben in Eigenverantwortung als Struktureinheit und wird in der Regel jeweils von einer hierfür beauftragten Person verwaltet (z.B. „Konvergenz des Rechts“ übernimmt ein Jurist, „Konvergenz der Medienökonomie und Organisation“ ein Herstellungsleiter, „Konvergenz der Kommunikation und des Marketings“ ein Marketing- oder Öffentlichkeitsarbeiter, „Konvergenz der Technik“ ein Sendeleiter, „Konvergenz der Finanzen und des Vertriebes“ ein Medienwirt). Zum anderen wirkt auf die fünf Kreise ständig eine Kraft aus (ausgehend von einem Unternehmer/Produzenten, Akteur genannt), die die Kreise in Bewegung setzt (physikalisch Kreisbewegung genannt) und zu Konvergenzbestrebungen miteinander animiert. Zentraler Konstrukteur des Modells ist der Akteur, der entscheidend die Dynamik des Gesamtprozesses bestimmt. Hermanni weist bei seinem „Kreis-Konvergenz-Modell des Medienmanagements“ auf Konvergenzen bei Medienproduktionen entlang einer Wertschöpfungskette hin – etwa durch eine Standardisierung von Abläufen, breite Nutzung digitaler Netze oder durch die Verknüpfung von Informations- und Handlungssträngen.⁵ ⁵ Vgl. Hermanni, A.-J. (2007), S. 241-256
Abbildung 2: Das Kreis-Konvergenz-Modell des Medienmanagements
(Quelle: Hermanni, A.-J.: 2007)
Einigkeit besteht in der Forschung weitgehend darüber, dass sich die Medien als integraler Bestandteil vernetzter Lebenswelten manifestieren. Zugleich werden IT-Unternehmen zu Wettbewerbern von Medienunternehmen und Medienunternehmen zum Teil des Consumer Webs und zu Technologieunternehmen.⁶ Die Transformation unterschiedlicher Systeme und Branchen prosperiert. Die Herausforderung für die Medienunternehmen liegt darin, das digitale Nutzenpotenzial auf bisher fremden Märkten auszuschöpfen. Um starke Umsatzverluste oder gar eine Aufgabe der Geschäftstätigkeit zu verhindern, verschaffen sich die Anleger neue Wachstumsmöglichkeiten und im Zuge dessen auch eine erhöhte digitale Kompetenz. Das ist definitiv der richtige Weg, um das E-Commerce-Geschäft besser kennenzulernen und um potenzielle Wachstumsfelder zu erschließen. Medienunternehmen entdecken die Start-up-Szene und treten als Förderer auf, überwiegend im wachsenden Online-Handel. Im Gegenzug erhalten die Investoren Anteile an den jungen Firmen, die vielleicht auch einmal zahlende Werbekunden werden, z.B.:
- ProSiebenSat.1-Group fördert über ein Tochter-unternehmen 30 Start-ups pro Jahr durch eine Anschubfinanzierung, Coachings, Zugang zu Investoren und durch die Zurverfügungstellung von kostenlosen TV-Werbezeiten.
- Ins E-Commerce-Geschäft steigen auch Verlage wie die Axel Springer SE ein. Die konzerneigene Investmentfirma, in der Geschäftsideen entwickelt und betreut werden, ist an Internet-Unternehmen wie Jobbörse Stepstone, Autohaus24 und dem Preisroboterdienst Idealo beteiligt.
- Holtzbrinck Ventures hat sich durch den Zukauf diverser Beteiligungen in der Gründerszene etabliert. Die Verlagstochter hält Anteile u.a. an dem Online-Modehändler Zalando oder dem Lieferservice Delivery Hero.
⁶ Vgl. Ludwig-Maximilian-Universität (September 2016)
3 New Media Start-ups generieren zu digitalen Global Playern
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Umsatzentwicklung der weltweit fünf größten Medien- und Kommunikationsunternehmen im Jahr 2014/2015: Alphabet/Google, Walt Disney/Marvel, Comcast, 21st Century Fox und Facebook erwirtschafteten einen Jahresumsatz von rund 132 Milliarden US-Dollar.⁷ Diese mehr als imponierende Bilanz, einhergehend mit hohen Wachstumsraten, wäre ohne die Einführung digitaler Techniken nicht möglich gewesen. ⁷ ⁷ Vgl. ZenithOptimedia (27.08.2016)
Wie steht es weltweit um den Börsenwert der ehemaligen New Media Start-ups, die auch eigene Medienaktivitäten betreiben? Die größten Internetunternehmen lassen jedenfalls keine Zweifel an deren Wirtschaftskraft unter Einbeziehung gewaltigen Ressourcen aufkommen (Angaben jeweils in Mrd. Dollar): Apple 547, Alphabet/Google 510, Amazon 341 und Facebook 340.⁸ Zieht man zum Vergleich die Börsenwerte deutscher Medienunternehmen heran, die eigene Internetaktivitäten forcieren, so wird die Diskrepanz deutlich sichtbar (Angaben jeweils in Mrd. Euro): RTL Group 13,3; Kabel Deutschland 10,7; ProSiebenSat.1 8,8; Sky Deutschland 5,8; Axel Springer 5,5.⁹ ¹⁰
⁸ Vgl. Kleiner Perkins Caufield & Byers, Capital IQ CB Insights, Wall Street Journal (27.08.2016) ⁹ Vgl. Börse Online Nr. 8 (19.02.2015) ¹⁰ Die Umsätze der stärksten deutscher Internetfirmen im Mediensektor wie XING, Bild oder Spiegel bewegen sich in der Umsatzklasse 25 bis unter 50 Mio. Euro jährlich.
Über die reinen Daten hinaus, setzen die größten Internetunternehmen weltweit digitale Standards und auf eigene Technologien, damit Wettbewerber das Nachsehen haben:
- Das oberste Ziel der global agierenden Internetfirmen ist fürs Erste nicht Gewinnmaximierung, sondern schnelles und starkes Wachstum. Wachstum steht vor Rentabilität. Die Firmen investieren vor allem in das Marketing, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern und um die User-Zahlen zu erhöhen.
- Die Unternehmen wollen möglichst gigantische Plattformen etablieren (ohne teure Vertriebsstrukturen), um dort ihre Produkte und Dienstleistungen zu vertreiben.
- Die Menschen sollen in der virtuellen Welt einen Großteil ihrer Zeit verbringen, weshalb Mark Zuckerberg „die ganze Menschheit vernetzen“ möchte.¹¹
- Nur vordergründig bieten viele digitale Anbieter ihre Dienste kostenlos an. Die Plattformen sollen sich mittel- und langfristig überwiegend über den Handel mit personenbezogenen Daten und Werbung finanzieren.
- Um die Mitbewerber in ihrem Wachstum bewusst kleinzuhalten, werden sie mit einem vergleichbaren Internetangebot unter Druck gesetzt oder aufgekauft (z.B. übernahm Facebook u.a. WhatsApp und Instagram, Google u.a. YouTube).
- Es stellt sich heraus, dass die mächtigen Internetunternehmen mit disruptiven Geschäftsmodellen traditionelle Medien- und Kommunikationsunternehmen von Märkten verdrängen.
Bei diesem rigorosen Vorgehen darf die Gefahr, die von Global Playern wie Facebook oder Alphabet (Google) ausgeht, nicht unterschätzt werden. Bundeswirtschaftsminister Gabriel wies u.a. darauf hin, dass die Geschäftsmodelle von Monopolisten der Technologiebranche „die gesamte marktwirtschaftliche Ordnung zur Disposition [stellen]“.¹²
¹¹ Vgl. Absatzwirtschaft (18.09.2106) ¹² Gabriel, S. (16. Mai 2014)
4 Medieneffekte fördern das digitale Wissensmanagement
Seien Sie darauf gefasst, dass sich das Konzept des lebenslangen Lernens etabliert hat und zunehmend an Bedeutung gewinnt. Allein schon deshalb, weil sich in einer digitalen Arbeitswelt die Informations-, Qualifikations- und Tätigkeitsanforderungen kontinuierlich verändern. In diesem Kontext weisen Bonfadelli und Friemel darauf hin, dass Information „den Grundbaustein für Wissen, das sich einzelne Individuen oder soziale Gruppen aneignen können“¹³, bildet.
Auffallend ist, dass die Medien- und Kommunikationsbranche von dem digitalen Informations- und Wissenstransfer besonders stark betroffen ist. Dafür spricht u.a.:
- Ehemals analoge Produkte wie Zeitungen und Zeitschriften werden bei den Herstellungsprozessen digitalisiert und deren Inhalte ins Internet transferiert.
- Newsrooms werden in den Medienunternehmen etabliert, um Content vielfältig aufzubereiten, zu vertreiben und zu vermarkten
- New Media Manager konzipieren und richten Social Media-Kanäle, Blogs und Wikis für Unternehmen und Organisationen ein.
- Medien- und Kommunikationsmanager werden aufgrund ihrer Expertise in die Entwicklung internetbasierter Geschäftsmodelle involviert.
- Durch den Einsatz computergestützter Systeme können Roboter heute schon große Datenmengen analysieren und daraus redaktionelle Artikel fertigen.
¹³ Bonfadelli, H. / Friemel, T. N. (2011)
Um die digitalen Herausforderungen und Chancen bewältigen zu können, müssen Bildungsinvestitionen getätigt und der Erwerb von geistigen und sozialen Kenntnissen und Fertigkeiten im Umfeld der Arbeitsprozesse intensiviert werden. Hier ergeben sich beispielweise Aus- und Weiterbildungsanforderungen zur Qualifikation der Medien- und Kommunikationsschaffenden in unterschiedlichen Themenfeldern, z.B.:
- Umstellung von traditionellen (physischen) bzw. analogen Produkten auf digitale (vgl. Entwicklung der Printmedien)
- Optimierung von Produkten (z.B. technisches Equipment für Medienproduktionen)
- Steigerung der Arbeitsproduktivität: Automatisierung von Prozessen, flexible Produktionsgestaltung durch neue Maschinentechniken (Stichwort Workflow-Management bei Postproduktionsprozessen)
- Change Management (z.B. modifizierte Aufgabenfelder für Redakteure)
- Outsourcing von redaktionellen Arbeitsaufgaben (z.B. Blogger-Tätigkeiten)
- Wettbewerb: Neue Geschäftsfelder, Transport- und Kommunikationsmittel; Wettbewerbsintensität durch verbesserten Marktzugang (z.B. Stichwort zeitgemäße Dienstleistungen und Waren der Zeitungsbranche)
- New Media Management: Neue Marketing- und Vertriebskanäle
- Wissensmanagement (z.B. Aufbau firmeninterner Datenbanken via Intranet für die Medien- und Kommunikationsbranche)
- Kundenkommunikation (z.B. Einfluss der Medienkonsumenten auf Art und Umfang einer Publikation).
Eines ist offensichtlich: Die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitnehmern wächst. Die SRH Fernhochschule – The Mobile University hat den Handlungsbedarf frühzeitig erkannt und bietet in unterschiedlichen Studiengängen Lerninhalte zum Thema Digitalisierung an (u.a. im Studiengang Medien- und Kommunikationsmanagement).
5 Ordnungspolitischer Rahmen der Digitalisierung
„Europa hat sich selbst beim Wettbewerb auf digitalen Märkten ausgebremst: 28 Mitgliedsstaaten agieren mit unterschiedlichen Regulierungen, Datenschutzbestimmungen und technischen Vorschriften auf dem Sektor der Telekommunikation, beim Urheberrecht, im Wettbewerbsrecht, beim Datenschutz und bei der Vergabe von Funkfrequenzen innerhalb der Europäischen Union (EU). Konkret bedeutet dies, dass einheitliche Vorschriften und Regeln fehlen, wenn z.B. ein Telekommunikationsanbieter ein europaweites Hochgeschwindigkeitsnetz errichten möchte. Stattdessen müssen unterschiedliche nationale Regulierungen beachtet werden, die Zeit und Geld kosten. Auch Fusionen europäischer Unternehmen, die auf dem Gebiet der Digitalisierung zusammenarbeiten wollen, wurden bisher durch die EU untersagt oder unterliegen drastischen Auflagen“.¹⁴ ¹⁴ Hermanni, A.-J. (2016), S. 60
Die gegenwärtigen Herausforderungen von Politik und Wirtschaft bestehen darin, auf dem Gebiet der Digitalisierung drei Bereiche ordnungspolitisch zu regeln: den Unternehmenssektor, den Arbeitsmarkt und die Netzinfrastruktur. Um zu verstehen, warum Deutschland bei der Digitalisierung und mit den Wettbewerbsvorteilen außereuropäischer Digitalkonzerne noch nicht Schritt halten kann, hat mit der schleppenden Politikgestaltung der Europäischen Union zu tun. Im Jahr 2016 bestehen immer noch Wettbewerbsbeschränkungen seitens einzelner EU-Staaten, die eine freien, grenzüberschreitenden Marktzugang innerhalb der EU erschweren. Medienpolitisch betrachtet sind europäische Internetfirmen, Medien- und Telekommunikationsunternehmen sowie Start-ups der Kultur- und Kreativbranche in ihrem Aktionsradius begrenzt, die Vorteile der digitalen Technologie vollständig zu nutzen.
Die EU-Kommission weist darauf hin, dass regulierungs-bedingte Barrieren beseitigt werden müssen, um die 28 nationalen Märkte zu einem einzigen zusammenzuführen. Dadurch könnten jährlich 415 Milliarden Euro erwirtschaftet und Hunderttausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden.¹⁵ Warum sich dieser Anpassungsprozess seit Beginn des Jahrtausends hinzieht (spätestens seit dem Jahr 2001 können wir von einer allgemeinen Akzeptanz und alltäglichen Nutzung einer digital vernetzten Welt sprechen), bleibt ein Geheimnis der Europäischen Kommission. Die digitale Marktstrategie der EU sieht jedenfalls vor, dass Verbraucher und Unternehmen einen besseren Zugang zu Online-Produkten und Dienstleistungen in Europa erhalten. Um beispielsweise einen grenzüberschreitenden elektronischen Handel zu ermöglichen, wird die EU-Kommission bestehende Vorschriften aktualisieren, vertragliche Rechte anpassen und eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit forcieren. Ohnedies machte die Monopolkommission 2015 darauf aufmerksam, dass internetbasierte Geschäftsmodelle immer wieder auf regulatorische Schranken stoßen (z.B. im Verlagswesen oder bei Streamingdiensten), obwohl bei einer Modernisierung des Regulierungsrahmens Kostenvorteile für die Verbraucher entstehen.¹⁶ Davon ausgehend will die EU-Kommission den Verlegern mehr Rechte an Online-Inhalten geben, wodurch die Herausgeber von Zeitungen und Zeitschriften eine ähnliche Stellung wie Film- oder Musikproduzenten erhalten. ¹⁵ Vgl. EU-Kommission (27.08.2016) ¹⁶ Monopolkommission (2015)
Hinzu kommt, dass sich die EU-Kommission erst seit kurzem mit den Wettbewerbsverstößen der Digitalkonzerne – wie z.B. Google, Amazon oder Facebook – auf juristischem Weg auseinandersetzt. Wie allgemein bekannt, müssen die US-Konzerne inzwischen ordnungsgemäß Steuern zahlen (ohne Subventionen seitens einzelner EU-Staaten) und sich Datenschutzgesetzen, Wettbewerbsregeln und europäischen Gerichtsurteilen unterwerfen.
Besonders wir Deutschen nehmen speziell den Datenschutz im Vergleich zu anderen Staaten besonders wichtig, nachdem wir im 20. Jahrhundert mit zwei Diktaturen Erfahrungen machten, die Daten über ihre Bürger gesammelt und deren Inhalte für eigene Zwecke missbraucht haben. Und die Sorge ist nicht von der Hand zu weisen, wie es sich am Beispiel des Webportals Yahoo zeigt. Yahoo hat im September 2016 einen massiven Hackerangriff aus dem Jahr 2014 eingeräumt, bei dem eine halbe Milliarde Nutzerkonten betroffen sein sollen. Hinter dem Datendiebstahl vermutet das Internetunternehmen einen Angreifer mit staatlichem Hintergrund.
Zurück zum ordnungspolitischen Rahmen. Grundsätzlich betrachtet ist es entscheidend, dass ein Staat die generellen Regeln eines Wirtschaftsprozesses festlegt, und zwar die rechtlichen wir institutionellen. Dabei gewährt der Staat Unternehmen und Organisationen einen großzügigen Gestaltungsraum innerhalb bestimmter allgemeiner Regeln, damit sie ihre eigenen Ziele verfolgen können.¹⁷ Insofern ist die Bundesregierung aufgefordert, ein tragfähiges Rahmenkonzept zu erstellen, das einen nachhaltigen Beitrag zur Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien leistet. Das bedeutet u.a. konsequent zu verstehen, dass die digitale Kommunikation nicht ohne Datenaustausch funktioniert. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsnationen sind jedoch die WLAN-Netze im öffentlichen deutschen Raum unzureichend ausgebaut. ¹⁷ Vgl. Eucken, W. (1952/2004), S. 242
Das Manko, mit außereuropäischen Märkten nicht Schritt halten zu können, hängt mit der Geschwindigkeit des Internets in Deutschland und dem langsamen Ausbau der Breitbandverkabelung zusammen. Deutschland belegt auf der globalen Rangliste der Internetgeschwindigkeit einen Platz im unteren Mittelfeld.¹⁸ Völlig zu Recht kritisiert deshalb der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Jahresgutachten zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland den bislang geringen nationalen Beitrag zum Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnologien im Vergleich zu den USA.¹⁹ An dieser Stelle wird seitens des Autors nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Medien- und Kommunikationsbranche auf schnelle Internetverbindungen mit hohen Datenübertragungsraten angewiesen ist, um Informationen zu empfangen und zu verbreiten. ¹⁸ Vgl. Akamai (27.08.2016) ¹⁹ Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2015)
Wie sieht der deutsche Digitalisierungsfahrplan aus? Die Bundesregierung setzt derzeitig die Richtlinie 2014/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation um ²⁰ , damit der Breitbandausbau beschleunigt wird und der Ausbau von Glasfasernetzen flächendeckend erfolgt.²¹ Deutschland hat einen enormen Nachholbedarf beim Breitbandausbau, nicht nur in unwirtschaftlichen Landstrichen, zumal die Datenmengen, die täglich transportiert werden, kontinuierlich zunehmen. Idealerweise sollte Glasfaser verlegt werden, weil hier superschnelle Internetanschlüsse mit Bandbreiten bis 300 Mbit/s möglich sind. Das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung, jedem Haushalt den Zugang zu Datenraten von mindestens 50 Megabit in der Sekunde bis 2018 anzubieten, ist jedoch nach wie vor als optimistisch zu betrachten. ²⁰ Gesetzentwurf der Bundesregierung (05.02.16) ²¹ Der Bundesrat hat am 23.09.2016 den geplanten Verbesserungen beim Breitbandausbau zugestimmt.
Was uns direkt zu dem digitalen Programm der Bundesregierung führt, das ein Wirtschaftswunder auslösen soll. Im Wesentlichen sind geplant bzw. in der Anwendung:
- Eine bessere Förderung von Start-ups, u.a. durch die Einführung von Hightech-Gründerfonds (vgl. Europäischer Investitionsfond in Kooperation mit KfW „Coparion Fonds“, „Wachstumsfazilität“ sowie „INVEST“)
- Ein neues Marktsegment „digitale Unternehmen“ an der Frankfurter Börse
- Bund und Länder wollen milliardenschwere Förderprogramme für den Breitbandausbau auflegen und WLAN-Hotspots an Flughäfen, in öffentlichen Gebäuden oder gesellschaftlichen Versammlungsorten einrichten (vgl. „Digitale Strategie 2025“, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)
- Einführung einer strengeren Datenschutzrichtlinie, damit die Datenströme transparenter werden und das Recht auf Datenportabilität oder auf das sogenannte „Vergessenwerden“ reguliert sind (vgl. „EU-Datenschutz-Grundverordnung“)
- Kooperationen von Unternehmen des Europäischen Binnenmarkts zu unterstützen, um die Dominanz der US-Firmen einzuschränken.
6 Implikationen für die Medien- und Kommunikationsbranche
Welche Erkenntnisse können wir aus den digitalen Entwicklungen für die Medien- und Kommunikationsbranche ziehen? Aus Branchensicht müssen die Beschäftigten nicht um ihre Arbeitsplätze bangen, sondern besitzen Fachkenntnisse und Fähigkeiten mit hohem Zukunftspotenzial:
(1) Grundsätzlich können sich Medien- und Kommunikations-manager im gesamten Markt der Kultur- und Kreativwirtschaft mit rund 247 000 Unternehmen und circa 1,63 Millionen Mitarbeitern bewerben. Zu den Teilmärkten zählen u.a. Pressemarkt, Rundfunkwirtschaft, Werbemarkt, Buchmarkt, Filmwirtschaft und Software-/ Games-Industrie.
(2) Nachdem heutzutage Medien- und Kommunikations-kenntnisse bei High Potentials vorausgesetzt werden, ist die einschlägige Expertise nach einem Medien- und Kommunikationsmanagementstudium bestens vorhanden und sind die beruflichen Chancen als aussichtsreich zu bewerten. Denken Sie in diesem Zusammenhang u.a. an die zukunftsweisenden Themen Digitalisierung und Social Media, die in allen Wirtschaftsbereichen auf der Agenda stehen.
(3) Medien- und Kommunikationsmanager werden insbesondere in Medienhäusern, in Marketing- und Kommunikations-abteilungen von Unternehmen, bei Verwaltungen, Verbänden sowie Agenturen gesucht.
(4) Bedeutsam ist, dass Medien- und Kommunikations-unternehmen als Pioniere eines Digitalisierungsprozesses eingestuft werden. Sie erproben und gestalten neue Technologien, die auch für andere Branchen signifikant sind.
Literaturverzeichnis
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