Employer Branding-Prozess.
Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni
2022
Der nachstehende Beitrag stammt aus dem Buch: Hermanni, Alfred-Joachim (2022). Business Guide für strategisches Management. 50 Tools zum geschäftlichen Erfolg. Zweitauflage, Springer, S. 65-69.
Employer Branding-Prozess
Der demographische Wandel hat nicht nur in Deutschland ein Umdenken bei Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft eingeleitet. Durch einen Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter und einen Anstieg der Seniorenzahl verändern sich auch die Voraussetzungen für die Entwicklung von Lebensqualität und Wohlstand: „Die sinkende Zahl der Menschen im jüngeren Alter und die gleichzeitig steigende Zahl älterer Menschen verschieben den demografischen Rahmen in bisher nicht gekannter Art und Weise.“¹
Bei der Suche nach Lösungsansätzen und für eine Wertschöpfung in den einzelnen Wirtschaftszweigen steht die Arbeitgebermarke im Zentrum aller Aktivitäten zur Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Zur Sicherung der Fachkräfte eines Unternehmens und zur Gewinnung neuer Mitarbeiter hat sich ein „War for talents“ herausgebildet, wobei sich immer mehr Unternehmen als glaubwürdige und starke Arbeitgebermarke (Employer Brand) darzustellen versuchen, um für Stellensuchende möglichst attraktiv zu erscheinen. Zugleich sollen die angestellten und motivierten Fachkräfte langfristig an das Unternehmen gebunden werden.
Die Employer Brand soll Mitarbeitern und Bewerbern signalisieren, wofür das Unternehmen als Arbeitgeber steht und was seine Einzigartigkeit ausmacht. Dennoch werden bei Kampagnen immer noch Plattitüden verbreitet, anstatt die Besonderheiten zu betonen. Dabei steht fest, dass im digitalen Zeitalter Mitarbeiter nicht mehr mit den gleichen Methoden und Werten gewonnen werden können, wie es in früheren Zeiten üblich war. Deshalb sollen in diesem Studienbrief sowohl das zeitgemäße systematische Vorgehen bei einem Employer Branding-Prozess aufgezeigt als auch gegenwärtige Methoden zur Mitarbeiterbindung und -gewinnung, zum Controlling und zur Evaluation der erforderlichen Kommunikationsmaßnahmen erläutert werden. Angesichts der Herausforderungen im nationalen und internationalen Wettbewerb liegt es nahe, dass Recruiter zusätzliche finanzielle Ressourcen insbesondere in das Employer Branding investieren, noch vor Personalmarketing und Technologien. Sie würden es ausbauen und stärken wollen², damit die Marke „Made in Germany“ weiterhin Bestand hat.
SAP ist in Deutschland das einzige IT-Unternehmen, das weltweit mit den Global Playern mithalten kann. Doch was macht SAP beim Personalrecruiting besser oder anders als andere Unternehmen und kann immer wieder viele kluge Vordenker digitaler Innovationen gewinnen? Cawa Younosi (*1974), Head of HR Germany SAP SE, äußert sich dazu wie folgt: “Putting people at the center of what we do has always been key to sustainable success: It has been 40 years ago, it is today and will remain in the future.”³ Um es festzuhalten: Den Menschen in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns zu stellen, war schon immer der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg. Auf diese Weise sichert sich SAP die Fachkräfte der Zukunft, wobei das Prinzip „Mindfulness Flat“ eine positive Rolle spielt. Das Unternehmen bietet u.a. an, Achtsamkeit zu trainieren als interne Fortbildung an den weltweit größten 50 Standorten. Veränderung verlangt aber auch mehr Flexibilität von den Beschäftigten und notfalls personelle Konsequenzen.
Ein Employer Branding-Prozess erfordert ein systematisches Vorgehen, um bestehende Probleme planmäßig, strukturiert, koordiniert und konsequent lösen zu können. Angesteuert wird ein einzigartiges, vom Wettbewerb differenziertes Image. Dabei besteht in der Forschung Einigkeit darüber, dass entsprechende Lösungsansätze eine unternehmensweite Vernetzung durch Digitalisierung voraussetzen.
Warum wird zwischen einem internen und einem externen Employer Branding-Prozess unterschieden? Einfach ausgedrückt: Weil zum einen die an das Unternehmen gebundenen Mitarbeiter (interne Ausrichtung) und zum anderen neue Mitarbeiter gewonnen werden sollen (externe Ausrichtung).
In der Literatur gibt es unterschiedliche Modelle für einen Employer Branding-Prozess, wobei vier Abläufe empfohlen werden: Analyse → Planung → Implementierung → Evaluation.⁴ Bei diesen Schritten erscheinen vier Fragestellungen als zielführend:
- Besteht ein Bedarf, die Mitarbeiterbindung zu erhöhen und/oder neue Mitarbeiter zu gewinnen (Analyse).
- Wie sollen die erkannten Probleme gelöst werden (Planung)?
- Auf welche Weise sollen die Maßnahmen umgesetzt werden (Implementierung)?
- Wie kann ein Erfolg gemessen werden (Evaluation)?
Bei einer Betrachtung der Literatur zu Employer Branding-Prozessen fällt auf, dass viele Autoren eine interne Implementierung der Maßnahmen einer externen Implementierung voranstellen. Als Hauptargument wird dabei genannt, dass zunächst die Mitarbeiter des Unternehmens gewonnen und überzeugt werden müssen, bevor externe Zielgruppen angesprochen werden können. Insofern ist festzuhalten, dass ein Employer Branding-Prozess aus fünf Schritten besteht: Analyse → Planung → Interne Implementierung → Externe Implementierung → Evaluation (s. Abb.).
Die wesentlichen Inhalte des Prozesses werden im Folgenden erläutert:
- Analyse: Interne und externe Situationsanalyse der Herausforderungen für das Unternehmen im Wettbewerb, Mitarbeiter zu binden und neue Mitarbeiter zu gewinnen. Dabei werden die Marke, die Produkte bzw. Dienstleistungen und der Wettbewerb untersucht. Der Auslöser und somit der Initiator der Analyse ist in den meisten Fällen die Geschäftsleitung eines Unternehmens. Dabei geht es darum, wie die Positionen der Wettbewerber einzustufen sind und welche Wettbewerbsvorteile das Unternehmen erhalten oder erzeugen kann, etwa durch Kostenführerschaft, Differenzierung oder Schwerpunktkonzentration. Die qualitative und/oder quantitative Forschung ist als Vorbereitungsphase des Employer Branding-Prozesses zu betrachten.
- Planung: Dabei geht es um die Etablierung eines Projektteams, die Festlegung der Ziele und Zielgruppen, die Herausarbeitung einer Employer Value-Proposition, eine strategische Vorgehensweise und die Gestaltung von Maßnahmen, einschließlich der Kommunikations- und Budgetplanung. Im Allgemeinen legt die Geschäftsleitung eines Unternehmens fest, welche Unternehmensbereiche in einem Projektteam vertreten sein sollen, wie groß das Team sein soll, in welchen zeitlichen Abständen an die Geschäftsleitung zu berichten ist und wann die Implementierungen abgeschlossen sein sollen. Wichtig dabei ist es, relevante Stakeholder in das Team einzubinden. Frühzeitig sollte man klären, auf welcher Ebene das Projekt-Team im Organigramm angesiedelt und welchen Personen und Bereichen das Team unterstellt wird. Die Hauptaufgaben des Projektteams bestehen darin, eine Strategie zur Positionierung der Arbeitgebermarke zu bestimmen, die Employer Value-Proposition zu formulieren sowie Ziele und Zielgruppen, KPIs, Botschaften und Kommunikationskanäle für die Arbeitgebermarke festzulegen. Die Employer Value Proposition bezieht sich auf die wettbewerbsattraktiven Merkmale bzw. Stärken des Unternehmens (Marke, Produkte bzw. Dienstleistungen).
- Interne Implementierung: Dabei geht es um eine Umsetzung und Integration der internen Maßnahmen entlang einer Employee Journey, eine Positionierung der Employer Value-Proposition, eine Information der Mitarbeiter über die Werte und Ziele des Unternehmens und eine aktive Verwirklichung der Werte.
- Externe Implementierung: Sie bezieht sich auf eine Umsetzung und Integration der externen Maßnahmen entlang einer Candidate Journey und eine Positionierung der Employer Value-Proposition. Die Candidate Journey (gelegentlich auch Experience genannt) zeigt den Weg eines Bewerbers einschließlich seiner Erfahrungen über alle Touch Points während der Kontakt- und Bewerbungsphase, von der Wahrnehmung des Arbeitgebers bis hin zum Onboarding auf. Dazu zählen bspw. Berührungspunkte wie die firmeneigene Website, mobile Rekrutierungs-Apps und Vorstellungsgespräche. Aus Kandidatensicht ist es sehr wichtig, dass die Unternehmen die Bedeutung und den Status eines Jobs schon in der Stellenanzeige deutlich machen.
- Employer Brand Controlling & Evaluation: Dabei geht es um eine kontinuierliche Überprüfung der Ziele, Maßnahmen und Prozesse anhand von Indikatoren, eine Messung aussagekräftiger Kennzahlen (KPIs), eine Identifizierung von Optimierungspotenzialen und ggf. eine Anpassung der Maßnahmen in modifizierter Form. Daher erscheint es angebracht, frühzeitig mit dem Controlling konkrete Absprachen hinsichtlich der von der Unternehmensführung ausgeübten Kontroll- und Steuerungsfunktion zu treffen.
Abb. 1 Employer Branding Prozess APIEC.
(Quelle: Hermanni 2021)
Quellen
¹ Statistisches Bundesamt (2021).
² Vgl. Weitzel et al. (2020), S. 14.
³ Younosi, C. (2019).
⁴ Vgl. Kanning (2017), S. 160–165; Hesse und Mattmüller (2019), S. 29–34; Fournier et al. (2019), S. 29.
Tips for You
• Kommunizieren Sie, auf welche Weise bzw. durch welche Stärken sich das Unternehmen/die Arbeitgebermarke von dem Wettbewerb unterscheidet (bspw. durch ein Alleinstellungsmerkmal und durch Nachhaltigkeitsmaßnahmen).
• Formulieren Sie in Stellenanzeigen, welche attraktiven Mitarbeitervorteile ein Interessent erwarten (bspw. Work-Life-Balance, Gesundheitsmanagement oder andere Benefits).
• Jede Zielgruppe informiert sich auf anderen Wegen. Schalten Sie nicht einfach Stellenanzeigen, sondern analysieren zuvor, auf welchen Kanälen bzw. digitalen Plattformen Ihre Zielgruppe anzutreffen ist und verwenden dort die passende Ansprache (bspw. wird bei LinkedIn anders kommuniziert und formuliert als bei Facebook oder in Stellenanzeigen von Tageszeitungen).
• Auf der benutzerfreundlichen Website des Unternehmens sollte die Karriereseite ebenso schnell zu finden sein wie bei Business- und Social-Media-Präsenzen.
• Schließen Sie Kooperationen mit Hochschulen ab und zeigen das Unternehmen bei Messen, um potenzielle Interessenten direkt ansprechen zu können.
• Gewähren Sie audiovisuelle Einblicke in den zukünftigen Arbeitsplatz und lassen dabei motivierte Mitarbeiter oder ein Team zu Wort kommen (bspw. im Rahmen eines Videos bei Instagram).
• Machen Sie zufriedene Mitarbeiter zu Markenbotschaftern, die in der Arbeitswelt für Fachkräfte werben (bspw. durch positive Bewertungen auf Glassdoor oder Kununu).