Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni
1 Begriffserklärung Social Media
Mit dem Web 2.0 gingen markante Veränderungen im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets einher, insbesondere wurden eine Vielzahl interaktiver und kollaborativer Elemente in Form von “Mitmachmedien” eingeführt. Im gängigen Sprachgebrauch sind unter Social Media alle Medien (Plattformen) gemeint, die Internetnutzer für eine soziale (oder interpersonelle) Kommunikation mit Partnern verwenden. Waren die Nutzer zuvor eher passive Teilnehmer unterschiedlicher Angebote, können sie inzwischen aktiv am Informationsaustausch mitwirken und das Geschehen im Netz beeinflussen. Sie produzieren und erstellen Inhalte, indem sie Beiträge veröffentlichen, kommentieren, empfehlen, bewerten, Fragen stellen oder Antworten geben. In diesem Kontext wird auf fachbegrifflicher Ebene von Prosumenten gesprochen, d. h. jeder Nutzer ist Sender und Empfänger, Rezipient und Inhaltsproduzent zugleich (vgl. Heymann-Reder 2011, S. 20). Durch diese interaktive Eigenschaft entwickelte sich aus der früheren One-to-ManyKommunikation (ein Teilnehmer kommuniziert mit vielen anderen Teilnehmer) eine Many-to-Many-Kommunikation (Kommunikation zwischen vielen verschiedenen Teilnehmern).
Nach allgemeinem Verständnis werden als Social Media-Netzwerke jene Gemeinschaften bezeichnet, welche über das Internet den Austausch von Meinungen, Eindrücken, Erfahrungen und Erlebnissen ermöglichen. Als Kommunikationsmittel dient in den sozialen Medien der Einsatz von Text, Bild, Audio und Video. Die Nutzergemeinde einer solchen Social Media-Plattform bezeichnet man als Community. Eine anerkannte Erläuterung des Begriffes liefert die Fachgruppe „Social Media“ des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW): „Social Media sind eine Vielfalt digitaler Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu gestalten. Die Interaktion umfasst den gegenseitigen Austausch von Informationen, Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen sowie das Mitwirken an der Erstellung von Inhalten. Die Nutzer nehmen durch Kommentare, Bewertungen und Empfehlungen aktiv auf die Inhalte Bezug und bauen auf diese Weise eine soziale Beziehung untereinander auf. Diese Faktoren unterscheiden die Social Media von den traditionellen Massenmedien. Als Kommunikationsmittel setzen Social Media einzeln oder in Kombination auf Text, Bild, Audio und/oder Video und können plattformunabhängig stattfinden“ (Bundesverband Digitale Wirtschaft 2013, S. 151).
Kritisch merkt Hermanni an, „dass der Begriff Social Media nicht grundsätzlich als sozial – im Sinne dem allgemeinen Wohl dienend – eingestuft werden kann. Relevant ist, Menschen verfolgen auf den Plattformen überwiegend eigennützige Interessen auf Zeit, die nicht auf die Gemeinschaft bezogen sind“ (Hermanni 2016).
2 Einführung Social Media-Kommunikationsmodelle
Die beiden Social Media-Kommunikationsmodelle von Hermanni (2019) beschreiben das Verhältnis von Influencern bzw. Opinion-Leader zu den Rezipienten (Followern) im Rahmen eines Informationsaustauschs innerhalb der sozialen Medien. Dabei werden die Rezipienten als User der sozialen Medien wahrgenommen.
Ein Kommunikator (Influencer bzw. Opinion-Leader) nutzt eine oder mehrere Internet-Plattformen, um möglichst zahlreiche Personen zu erreichen und zu informieren. In diesem Kontext übt der Kommunikator aktiv und bewusst über seine Botschaft Einfluss auf den Rezipienten aus, wodurch eine nachhaltige Wirkung ausgelöst werden kann.
Max Weber erkannte schon in seinem posthum erschienenen Werk Wirtschaft und Gesellschaft (1922), dass Einfluss im Sinne von Macht jede Chance bedeutet, „innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“.[1] Alfred Meier und Tilman Slembeck machten 1994 darauf aufmerksam, dass unterschiedliche „Einflussfaktoren“ in der Gesellschaft auftreten, bspw. im Zuge einer persuasiven Kommunikation (überzeugen durch persönliche Eigenschaften, bessere Argumente, Wissensvorsprung und Überredung) oder durch Manipulation (eine Verschleierung der effektiven Absichten). [2]
In der Wissenschaftstheorie wird Wirkung als das Ergebnis einer Ursache (Einfluss) verstanden, wobei hier ein kausaler Zusammenhang besteht. Betrachtet man etwa die Medienwirkungsforschung (ein Teilgebiet der Medien- bzw. Kommunikationswissenschaft), so wird deutlich, dass sich diese mit den Effekten befasst, die (auch soziale) Medien auf die Rezipienten ausüben. In gewisser Weise verwies bereits Platon darauf hin, dass jedes Werdende (Wirkung) eine Ursache (Einfluss) haben muss. Letztlich entscheiden aber auch das Image des Kommunikators und das Selbstbild des Followers darüber, auf welche Weise die Botschaft angenommen wird.
Dem Rezipienten steht ein Feedback-Kanal zur Verfügung (s. Social Media-Kommunikationsmodelle), über den online eine Rückmeldung erfolgen kann. Eingeschränktes Feedback bedeutet, dass nur vereinzelt die Reaktionen der Rezipienten vom Influencer bzw. Opinion-Leader zur Kenntnis genommen und beantwortet werden. So können die Rezipienten im Allgemeinen nicht beurteilen, inwiefern ein Kommunikator eine Äußerung empfangen und verstanden hat, weil die Rückkopplung bzw. Rückmeldung seitens des Kommunikators ausbleiben.
2.1 Profit-Modell der Social Media-Kommunikation
Der Influencer verfolgt kommerzielle Interessen, die in der Regel Produkte betreffen, die vermarktet werden sollen. Somit sind Influencer auf ihren eigenen Nutzen und Vorteil bedacht. Das Unternehmen wiederum erwartet für die finanzielle Leistung und/oder die Zurverfügungstellung von Produkten eine Gegenleistung, z.B., dass die Produkte vermarktet werden und der Influencer kooperiert, damit eine nachhaltige Wirkung bei den Zielgruppen erzielt wird. Influencer sind beispielsweise in der Fashion- und Lifestyle-Branche aktiv, zu dem u.a. der Textilmarkt zählt, und vermarkten Modeaccessoires. Bei dem Profit-Modell kann es sich um ökonomische Ziele, die eigene Reputation als Influencer, eine Kooperation mit Unternehmen oder um eine Kombination verschiedener Intentionen handeln.
2.2 Non Profit-Modell der Social Media-Kommunikation
Zu den Opinion Leader zählen beispielsweise Moderatoren von XING-Gruppn und prominente Blogger bei LinkedIn, die nur innerhalb einer geschlossenen Gruppe tätig werden oder Micro-Blogger bei Twitter. Gelegentlich wird auch über bestimmte Meinungsinhalte, die der Kommunikator verbreitet, außerhalb der Gruppe durch die Medien oder durch Experten eines bestimmten Fachgebietes berichtet. Bei dem Non-Profit-Modell kann es sich um gemeinnützige und/oder soziale Ziele, die eigene Reputation, eine Kooperation mit anderen Organisationen oder um eine Kombination verschiedener Intentionen handeln.
Abb. 2: Non Profit-Modell der Social Media-Kommunikation (2019) (Quelle: Hermanni, A.-J.: Vorlesung 23.02.2019, München)
3 Influencer – eine kurze Zustandsbeschreibung
Im Zuge der Kundengewinnung können aber auch Meinungsführer (Influencer) eine entscheidende Rolle spielen. Durch ihren öffentlichen und populären Status üben sie einen Einfluss auf die Zielgruppen aus und können somit das Kaufverhalten direkt oder indirekt beeinflussen. Zu den Influencern (Key Opinion Leaders) zählen insbesondere Personen des öffentlichen Lebens, die stark im Rampenlicht stehen, z.B.:
l Politiker
l Schauspieler
l Sänger
l Modedesigner
l Blogger, Instagram- oder YouTube-Aktive.
Bei der Auswahl der richtigen Testimonials für eine Marke und deren Zielgruppe sollte beachtet werden, dass Social Media-Stars mit Millionen von Followern, Lesern und Abonnenten die neuen Idole der jungen Generation sind und nur noch selten die Entertainer des Fernsehens. Oftmals sind sie auch glaubwürdiger und sprechen die gleiche Sprache wie die Zielgruppen. Kennzeichnend für die Neuausrichtung ist, dass die Kooperationen mit Testimonials in Printmedien und TV-Spots zurückgehen.
Hierbei zeigt sich, dass Unternehmen aus der Fashion-, Kosmetik- und Tourismusbranche immer stärker mit digitalen Influencern wie Bloggern und YouTubern zusammenarbeiten. Das erklärt u.a., weshalb über 80% der Blogger gesponserte Posts auf ihren Social Media-Plattformen veröffentlichen. Gefragt sind vor allem Contests und Gewinne, von denen beide Seiten profitieren: Die Influencer bieten ihrer Community ein Präsent, und die Unternehmen bekommen eine positive Zuwendung.
Zahlreiche User versuchen auf sozialen Plattformen den Status eines Influencers zu erreichen, um ein hohes Ansehen bei anderen Usern zu genießen und als bezahlter Werbeträger für Produkte oder Marketingmaßnahmen infrage zu kommen. Voraussetzung dafür ist, als Person eine starke bzw. wohl bekannte Präsenz in einem oder mehreren Online-Marktplätzen bieten zu können.
In einem ersten Schritt auf dem Weg zum Influencer erweist es sich als vorteilhaft, die potenzielle Reichweite zu definieren. Dazu stellt man sich die Frage, auf welchem Themengebiet man sich zu einem Experten für eine exakt definierte Zielgruppe etablieren kann. Vorteilhafter ist es z.B., die Expertin für digitale Games zur Weiterbildung zu sein als die zehntausendst e Entspannungsthe-rapeutin oder Persönlichkeitsentwicklerin. Das Publikum als Micro-Influencer (Follower-Anzahl zwischen 5000 und 25.000) ist zwar kleiner, der Einfluss in einer Marktnische aber keineswegs. Denn im Zweifelsfall wirkt der Auftritt eines Micro-Influencers glaubwürdiger als der eines Inter-net-Superstars auf unterschiedlichen Themengebieten, zumal die Werbewirtschaft jede Art von Streuverlusten meidet. Gleichwohl darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass wenige Blogger zu Superstars geworden sind, denen Millionen Menschen beispielweise auf Instagram folgen und über deren Empfehlungen einschlägige Magazine auf der ganzen Welt berichten.
_______________________________________
Quellenverzeichnis
Bundesverband Digitale Wirtschaft (2013). Social Media Kompass 2013/2014 (5. Auflage). Düsseldorf.
Hermanni A-J (2016). Social Media – effektiv einsetzen. Vortrag vom 05. August 2016. Heidelberg.
Heymann-Reder D (2011). Social Media Marketing. Erfolgreiche Strategien für Sie und Ihr Unternehmen. München.
[1] Weber, M. (1985): Wirtschaft und Gesellschaft – Grundriss der verstehenden Soziologie. 5. Auflage. Herausgegeben von Johannes Winkelmann. Tübingen, S. 28.
[2] Meier, A./Slembeck, T. (1994): Wirtschaftspolitik. Ein kognitiv-evolutionärer Ansatz., München.