Marketing
verfolgt eine Happy- & Money-Strategie
Von Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni
1 Einleitung und Abgrenzung
Überraschenderweise erkundigen sich viele Leute bei mir nach der Bedeutung von „Marketing“, weil Sie diesen Begriff nicht von „Werbung“ unterscheiden können. Offenkundig besteht hier Aufklärungsbedarf.
Das Marketing entwirft eine absatzwirtschaftliche Strategie für Produkte, Dienstleistungen oder Marken, die ein Unternehmen auf einem Markt einführen und/oder etablieren will. An der Zusammenstellung des Gesamtkonzepts, das sich am Markt, den Kundenbedürfnissen und dem Wettbewerb orientiert, wirken Bereiche wie Werbung, Corporate Communication, Verkauf/Vertrieb, Administration/Finanzen und Produktion übergreifend mit. Eine Marketingstrategie zur Steigerung des Markenwertes kann beispielsweise unterschiedliche Ziele verfolgen (s. Abb.).
Wenn die Marketingstrategie steht, wird Werbung zu einem wichtigen Instrument des Marketings zur Beeinflussung potenzieller Zielgruppen (vgl. Kap. Werbung). Dagegen soll Corporate Communication („Unternehmenskommunikation“) die generelle Kommunikation mit Ziel- und Bezugsgruppen vervollkommnen, die Organisationsziele transparent darstellen und zur Steigerung des Unternehmensimage einschließlich Wertschöpfung beitragen. Eigentlich eine Binsenweisheit, wobei nur wenigen bekannt ist, dass unter den Begriff „Corporate Communication“ vier große Aufgabenbereiche fallen:
- Pressearbeit/Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit)
- Mitarbeiterkommunikation (Human Relations)
- Marketingkommunikation (Kooperationspartner, Kunden, Medien, Lieferanten)
- Investor Relations (Kommunikation mit Investoren, Anlegern, Analysten).
Corporate Communication steuert den gesamten kommunikativen Auftritt eines Unternehmens und umfasst die Bereiche interne wie externe Kommunikation ein-schließlich Markt- und Finanzkommunikation. Dabei werden Produkte und Dienstleistungen am Markt positioniert, Normen und Werte der Unternehmung vermittelt sowie Beziehungen zu den Zielgruppen aufgebaut, um eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Der strategische Einsatz aller Kommunikationsmedien gegenüber den Stakeholdern (z. B. Mitarbeitern, Medien, Kunden und Investoren) zeichnet sich durch eine einheitliche Präsenz aus. Durch einen identischen Kommunikationsprozess soll sichergestellt werden, dass unterschiedliche Anspruchsgruppen ein „perfektes“ Unternehmensbild erhalten. Darüber hinaus sollen durch abgestimmte Maßnahmen die Unternehmensreputation am Markt verbessert, ein hoher Wiedererkennungswert erzielt, Wettbewerbsvorteile geschaffen sowie das Unternehmensprofil und dessen Marken geschärft werden.
2 Positionierungsentscheidungen zur Marketingstrategie
So weit, so gut. Im Vorfeld der Aufstellung einer Marketingstrategie werden die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppen für den jeweiligen Markt untersucht. Dabei wird ein möglicher Bedarf nach Produkten/Dienstleistungen, der Größe einer Zielgruppe und einem marktfähigen Preis unter Einbeziehung der Wettbewerbssituation eruiert. Aufgrund von Marktforschungsergebnissen können mustergültige Angebote entwickelt werden, für die theoretisch gute Absatzchancen vorhanden sind. Doch was können Sie konkret tun? Auf dem Weg zum Geschäftserfolg müssen vier Positionierungsentscheidungen gefällt und umgesetzt werden:[1]
I) Produktpolitik: Der erste Schritt ist es, ein Angebot herzustellen, das den Käufer qualitativ zufriedenstellt. Insofern sollte sich der Hersteller darüber im Klaren sein, welche Art von Leistung/welches Produkt offeriert wird, auf welche Weise es produziert und gestaltet wird (u. a. technische Qualität, Design, Verpackung), welchen Markennamen oder Verkaufstitel es erhält und wie der Kundenservice ablaufen soll. Im Umfeld dessen ist festzulegen, welche produktpolitischen Ziele verfolgt werden, z. B.: Aufbau der Unternehmensmarke, Betonung der Markenkompetenz, Umsatzsteigerung, Gewinnung von Marktteilnehmern. Die Kunst der Produktpolitik ist es, eigene Trends zu schaffen oder vorhandene Trends erfolgreich zu modellieren (vgl. Business Modelling)
II) Preispolitik: Ein Hersteller/Dienstleister legt einen Preis für sein Angebot fest. Der monetäre Gegenwert sollte attraktiv für seine Zielgruppe sein, möglichst niedriger als jener der Mitbewerber und eine Nachfrage generieren. Um diesen Idealzustand zu erreichen, wird eine optimale Preisstrategie entworfen. Im Zuge der Preisgestaltung sind zugleich Finanzierungsmodelle zur Herstellung des Produkts, Rabatte, Lieferkonditionen und Zahlungsmodalitäten für die Kunden festzumachen. Nebenbei bemerkt: Marken mit einem harmonischen Preis-Leistungsverhältnis animieren den Wettbewerb zu werblichen Gegenmaßnahmen und Preisreaktionen.
III) Distributionspolitik: Die übergeordnete Zielsetzung ist, mit einem Angebot eine höchstmögliche Reichweite innerhalb der Zielgruppe bei optimaler Kontakthäufigkeit zu erlangen. Insgesamt zeigt sich: Absatzmärkte verändern sich zunehmend rasant, weil Käufer immer globaler denken und handeln. Zudem fördert das Internet ein universelles sowie flexibles Bestellwesen. Hierauf bezogen sollte ein Hersteller zügiger produzieren als die Mitbewerber und kurze Absatz- bzw. Verteilerwege beschreiten, bevor Lieferengpässe entstehen. In dieser Hinsicht stellt sich die entscheidende Frage: Welche Vertriebswege sollen eingeschlagen und auf welche Weise die Produkte/Dienstleistungen verteilt werden – z. B.: direkter Vertrieb, Niederlassung, Handelsvertreter? Gerade in Märkten, in denen ein heftiger Verdrängungswettbewerb herrscht, kann der Warenverteilprozess – also die organisatorische Abwicklung mit Lieferzeiten betreffend Lagerhaltung, Verpackung, Transport – für die Gewinnerzielungsabsicht entscheidend sein.
IV) Kommunikationspolitik: Die Kommunikationspolitik plant und steuert die Informationsübermittlung zwischen einer Organisation und ihren Zielgruppen. Begreiflicherweise können hier unterschiedliche Intentionen vorliegen: Imageaufbau, Markenbekanntheit, Personalrekrutierung, Produkt-PR, Wachstum, Vertriebsunterstützung, zentrale Botschaften, neue Käufer/Konsumenten. Dafür stehen je nach Konzept verschiedenartige Mittel zur Verfügung, etwa verkaufsfördernde Maßnahmen, Werbeschaltungen, Sponsoring/Product Placement, Human Relations-Anzeigen, Messeauftritte, Öffentlichkeitsarbeit.
Betrachtet man die politischen Direktiven, so ist deutlich, dass jegliche Positionierung in einem Wettbewerbsdreieck zwischen Unternehmen, Kunden und Konkurrenten stattfindet und somit zwangsläufig zu einer Interessenkollision führt.
3 Die Happy- & Money-Strategie
Welche wirtschaftliche Strategie Sie auch immer zur Erreichung ihrer Unternehmensziele einsetzen, es wird nahezu immer eine Happy- & Money-Strategie verfolgt. Vielleicht wollen Sie den Online-Traffic oder die Kundenbindung erhöhen, die Qualitätssteigerung vorantreiben oder Neukunden gewonnen, die Markenkompetenz steigern beziehungsweise Employer Branding verstärken oder visieren eine Umsatzsteigerung an. In allen Fällen wollen Sie am Ende des Tages als Unternehmer mit dem Ergebnis der wirtschaftlichen Strategie glücklich sein, ihre Kunden zufriedenstellen und letztlich höhere Einnahmen erzielen.
Weiter geht’s. Stellen Sie sicher, dass die Marketingmaßnahmen einschließlich Werbung in einen Jahresplan eingebettet sind. Darin werden die einzelnen Maßnahmen miteinander abgestimmt und schrittweise aufgebaut. Angenommen, ein Betrieb produziert Smartphones, dann empfiehlt sich beispielsweise nachstehende Step to Step-Strategie:
- Step 1: Mehr Smartphones verkaufen.
- Step 2: Qualitativ höhere Smartphones herstellen und verkaufen.
- Step 3: Konsumenten für eine Markenbindung mobilisieren.
- Step 4: Das Unternehmen als Spezialist für Smartphones etablieren.
- Step 5: Eine intensive Beziehung zu Konsumenten aufbauen, damit die Endverbraucher Smartphones nur noch in firmeneigenen Shops erwerben.
- Step 6: usw.
4 Optionen zur Kommunikationspolitik
Kurz und bündig: Ihr Marketingkonzept sollte konkrete Erfolge zeigen, also die Kunden-Response (Kontakte) messbar erhöhen. Das setzt voraus, dass Sie Ihre Zielgruppe eindeutig festlegen und verschiedene Botschaften und Werbeträger testen, bis eine optimale Konstellation erreicht ist. Hier einige Optionen zur Kommunikationspolitik von Unternehmen:
- 1. Media-Werbung, z. B. Anzeigenwerbung, Plakat- und Displaywerbung, TV-, Radio- und Kinospots
- Direct Marketing, z. B. in Form von Mailings (Werbebriefe), Newsletter, Telefonmarketing, Flyer, Mobil Apps, Kundenclubs
- Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit), z. B. Pressekonferenz, Geschäftsberichte, Mitarbeiter- und Kundenzeitungen, Imagebroschüren, Imagefilme
- Eventmarketing, z. B. Kick-off-Events, Sponsoring, Jubiläen und Festakte, Kongresse, Testimonials, Messeauftritte, Road Shows
- Verkaufsförderung, z. B. Produktpromotions, Kundenaktionen
- Internet und Intranet, z.B. Unternehmensauftritt (Homepage), Social Media-Networking (Friends, Followers), Präsenz in Businessportalen, Suchmaschinenwerbung
- Incentives, z. B. Wettbewerbe für Händler, Außendienst, Mitarbeiter.
Sie sehen, die Fülle der aufgezeigten Möglichkeiten kann ein Unternehmen überfordern. Um das zu verhindern, konzipieren Sie ein überschaubares Marketingkonzept, das den Ausgangspunkt aller Werbemaßnahmen bildet. Nehmen wir beispielshalber das amerikanische Versandhaus Sharper Image (gegründet 1977), das modern designte High-Tech-Artikel zu hohen Preisen anbietet. Das Versandhaus hat seine Käufer (Frauen wie Männer) durch folgendes Marketingkonzept überzeugt:
- Der Präsident von Sharper Image testet jedes Produkt persönlich, bevor es in den Verkauf kommt. Dadurch gibt er mit seinem Namen eine persönliche Qualitätsgarantie ab.
- Jeder Kaufinteressent kann Sharper-Produkte einen Monat testen, ohne dass er sie zuvor erwerben muss.
- Wenn ein Käufer das Produkt innerhalb eines Jahres günstiger angeboten bekommt, zahlt Sharper Image die Differenz zum alten Verkaufspreis an den Käufer.
Niemand kann Sie davon abhalten, ein ähnliches Marketingkonzept auf die Beine zu stellen. Sie können mit den Garantiegewährleistungen bei Dienstleistungen sogar noch weiter gehen und den Kunden von finanziellen Unwägbarkeiten loslösen, z. B.: keine Kostenüberschreitungen bei Änderungen und Nachbesserungen, Rückerstattung des Kaufpreises bei einer fehlerhaften Inbetriebnahme einer technischen Anlage oder bei Nichteinhaltung vereinbarter Konditionen. Derartige Zugeständnisse sind allerdings ein zweischneidiges Schwert.
Wenn Sie überhaupt keine Wettbewerbsvorteile mitbringen, empfehle ich, durch Angebote zu polarisieren. Polarisieren ist beim Marketing tausendmal effektiver, als den Mainstream zu bedienen. Sie wissen ja, der Massengeschmack wird vom Markt hinreichend versorgt. Spalten Sie Ansichten und Gemüter, damit man auf Ihre Produkte/Dienstleistungen aufmerksam wird. Ansonsten wirft man Ihnen zu Recht vor, das Gleiche wie andere zu machen. Ihr Angebot muss nicht allen gefallen; einige Leute finden es ausgezeichnet (und von denen kann Ihre Unternehmung existieren), die anderen schrecklich. Hauptsache, Ihre Zielgruppe nimmt das Angebot bewusst wahr, versteht und akzeptiert es. Botschaft angekommen?
Tips for You
- Bewerten Sie die Stärken und Schwächen Ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit innerhalb des Marktes und legen fest, inwiefern noch Leistungspotenzial für Ihre Produkte oder Dienstleistungen besteht, z. B.: günstigere Preise, höhere Qualität, Ausbau des Vertriebsnetzes. Führen Sie dazu Umfragen bei Ihrer Zielgruppe durch, um die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden zu erfahren.
- Setzen Sie zeitlich überschaubare Marketingziele, die realisierbar erscheinen, z. B.: den Umsatz/Gewinn um 10 % innerhalb von sechs Monaten zu steigern. Oder innerhalb von einem Jahr einen Marktanteil von 5 % zu erschließen. Wichtig ist, dass die gesetzten Ziele erreichbar und somit später kontrollierbar sind.
- Legen Sie einen Marketingetat für Verkaufsförderung, Werbung und sonstige Kommunikationsmaßnahmen fest. Nach meiner Erfahrung sollte der Etat bei mindestens 20 % des Firmenumsatzes liegen.
- Stellen Sie sich einen konkreten Traumkunden als Zielgruppe vor (z. B. AUDI, FC Bayern München), der durch Ihre Marketingaktivitäten angesprochen werden soll. Präzisieren Sie, welche Aktivitäten dem Traumkunden gefallen könnten und zu seiner Marke passen.
- Marketingstrategien müssen aufgrund der quicklebendigen Konkurrenz rasch entwickelt und zeitnah umgesetzt werden. Und vor allem andersartig sein. Prüfen Sie daher regelmäßig Ihre Marketingziele, damit diese gegebenenfalls korrigiert werden können. Sollten es Hürden zum Erreichen der Ziele geben, betreiben Sie Ursachenforschung – z. B.: Warum ist die geplante Umsatzsteigerung oder Akzeptanz nicht eingetreten?
- Erfassen Sie marketingrelevante Angaben in Datenbanken. So fließen etwa Kundenanfragen auch unmittelbar in eine Adressdatenbank, von der aus wiederum personalisierte Mails (z. B. Newsletter oder Reminder) automatisch versendet werden.
- Bei Marketingaktionen (z. B. Massenmailings, Versand von Newsletters) empfiehlt es sich grundsätzlich, inhaltliche Aussagen, Erscheinungsbild und technische Funktionen (Zustellbarkeit bei verschiedenen E-Mail- Providern, korrekte Funktion der Links, optische Darstellung) anfangs in einem eingeschränkten Teilnehmerkreis zu testen. Im Rahmen des Probeversands kann die Wirksamkeit der Werbung überprüft und das Dokument gegebenenfalls optimiert werden. Oder Sie testen verschiedene Entwürfe gegeneinander vor einem Massenversand.
- Wer ein Budget für die Bewerbung seiner Firmen-website bereitstellt, sollte eintreffende Informationen über das Kundeninteresse auswerten. Mehr darüber erfahren Sie via Kampagnenverwaltung oder über das Lead Scoring2 einer Online-Werbeplattform, z. B.: Welche Seiten werden häufig oder selten besucht? Welche Links werden am meisten/wenigsten angeklickt? Welche White Papers oder andere Dokumente werden her- untergeladen bzw. angefordert? Welche Keywords scheinen zu funktionieren (dies kann man aus dem vielfachen Besuch einer Seite ableiten)?
- Mithin kann man das Kundenverhalten schematisch ableiten. Alles Übrige wird sich später herausstellen, denn mancher Lead fragt erst einmal Informationen ab, bevor überhaupt ein Bedarf besteht und die notwendige Finanzierung für eine Anschaffung/einen Auftrag vorhanden ist
[1] Hermanni, Alfred-Joachim: Positionierungs-Pyramide: In: Medienmanagement – Grundlagen und Praxis für Film, Hörfunk, Internet, Multimedia und Print. München 2007.
