Empirische Sozialforschung

Das Grundkonzept der wissenschaftlichen Prüfungsform „Praxisnahes Werk“

nach Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni (München, im Herbst 2014)

Einführung

Die empirische Sozialforschung wird als zentraler Bestandteil wissenschaftlicher Arbeiten betrachtet und sieht die Erhebung von Daten, bspw. durch eine Befragung, Beobachtung, Literaturanalyse oder Dokumentenanalyse in Verbindung mit einer Inhaltsanalyse vor. Einsatzgebiete sind u.a. die Markt- und Kommunikationsforschung sowie die Prüfung betriebswirtschaftlicher Theorien.

Um den Forschenden eine Evaluation zu erleichtern und dennoch belastbare Ergebnisse zu erzielen, hat der Autor die anwendungsnahe Methode „Praxisnahes Werk“ konzipiert, die einerseits Bedingungen der Sozialforschung berücksichtigt, andererseits ein praxisnahes und zugleich kreatives Vorgehen einschließt.

1   Definition „Praxisnahes Werk“

Der akademische Begriff „Praxisnahes Werk“ setzt sich aus praxisnah im Sinne der Bedeutung „eine enge Beziehung zur Praxis aufweisend“ und aus Werk zusammen, einer Bezeichnung aus dem Urheberrecht. Unter Werke werden im Urheberrecht geistige Schöpfungen von Personen bezeichnet, die gesetzlich geschützt werden: „Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes“.[1]

2   Prüfungsform

Mit der Bearbeitung des praxisnahen Werkes weisen die Studierenden nach, dass sie – tatsächliche oder fiktive – praktische Problemstellungen unter Anwendung theoretischer Konzepte analysieren und Lösungsalternativen in Form von Medienproduktionen entwickeln können. Die individuelle Themenfindung erfolgt in Absprache zwischen dem Studierenden und dem betreuenden Hochschullehrer. In einem ersten Schritt ist ein Exposé zur Verdeutlichung der Themenidee beim betreuenden Hochschullehrer einzureichen.  Das Exposé (Umfang: max. 10 Seiten) besteht aus zwei Teilen: 

I. Titel und Aufbau der Arbeit: Arbeitstitel, Problemstellung, Zielsetzung der Arbeit, Methode/Vorgehen, Grobgliederung der Arbeit und Literaturverzeichnis 

II. Hinweise zur Realisierung:  Motivation bzw. der Themenauswahl, Akzeptanz im Unternehmen (das Praxisprojekt kann auch ohne Unternehmen durchgeführt werden), Ressourcenabschätzung und zeitliche Planung.

Die Prüfungsform „Praxisnahes Werk“ besteht ebenfalls aus zwei Teilen:

(A) Einem „Theoretische Konzept“ in einem Umfang von 5-10 Seiten sowie
(B) dem „Praxisnahen Werk“ (z.B. Film, Hörfunkspots, Blog, Multimedia-Produktion).

Das theoretische Konzept hat einen Umfang von 5-10 Seiten und umfasst folgende Punkte:

(1) Konkreter Themenvorschlag – formuliert als Arbeitsauftrag
(2) Problemstellung des Praxisprojekts – einschließlich theoretischer Grundlagen
(3) Zielsetzung des Projekts – einschließlich theoretischer Grundlagen
(4) Methode: Darstellung der Vorgehensweise – Projektumsetzung des Werks
(5) Diskussion: Kritische Reflexion der Ergebnisse, die als praxisnahes Werk dargestellt werden sowie
(6) Anlagen: Literaturhinweise und Eidesstattliche Erklärung.

Hierzu ein Hinweis: Beim theoretischen Konzept fehlt der Teil „Ergebnis“, weil das Resultat in Form eines praxisnahen Werks dargestellt wird.

3   Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium

Durch die Prüfungsform „Praxisnahes Werk“ werden die fach- und berufsfeldbezogenen Anforderungen gemäß dem Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse gefördert und findet eine Qualitätsverbesserung in Lehre und Studium statt.

“Gute” Lehre besteht nach Ansicht der Hochschulrektorenkonferenz darin, „den Kompetenzerwerb der Studierenden durch anforderungsgerechte Lehr-, Lern- und Prüfungsformen optimal zu fördern (in diesem Sinne ist “gute” Lehre studierendenzentriert)“.[2]

Eingehend auf die Weiterführung der Bologna-Reform wird die Qualität der Lehre dabei u.a. wesentlich beeinflusst durch Lehr- und Lernformen, die auf einen aktiven, eigenständigen Kompetenzerwerb abzielen, und durch kompetenzorientierte Prüfungsformen.[3]      

Der Kompetenzaufbau wird mittels geeigneter didaktischer Methoden und der technischen Rahmenbedingungen unterstützt. So sehen die Präsentationen die Entwicklung und Produktion eigener Werke vor, z.B. Erstellung eines Blogs oder Realisierung einer fotobasierten Social Media-Kampagne.

Die Prüfungsform „Praxisnahes Werk“ ist besonders geeignet für Module, die im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft angesiedelt sind und einen Theorie-Praxis-Transfer anstreben.

4   Zulassung der Prüfungsform im Rahmen von Akkreditierungen

  • Die renommierte Evaluations- und Akkreditierungsagentur ZEvA hat im Zuge der Reakkreditierung des Studiengangs Medien- und Kommunikationsmanagement (B.A.) am 23. Februar 2017 in Heidelberg die neue Prüfungsform „Praxisnahes Werk“ erstmals zugelassen: „Alternativ kann in diesem Studiengang auch eine Fallstudie erarbeitet werden, die ein theoretisches Konzept sowie ein praxisnahes Werk wie einen Film, einen Hörfunkspot, Internetauftritt etc. umfasst“.[4]
  • Im Zuge der Systemakkreditierung „pilothafte Reakkreditierung“ des Master-Studienganges „Medien- und Kommunikationsmanagement“ (M.A.) wurde bei der sogenannten Vor-Ort-Begehung am 09.04.2018 in Mannheim die Prüfungsform „Praxisnahes Werk“ von den externen Gutachtergruppe erneut bestätigt.
  • Das Praxisnahe Werk entspricht dem CORE-Prinzip (Competence Oriented Research and Education) der SRH Higher Education im Sinne einer lernenden Organisation zu neuen bzw. alternativen Prüfungsmethoden.[5] 

5   Fallstudien in Kombination mit einem praxisnahen Werk

Alternativ zu einer ausschließlich theoretischen Bearbeitung einer Fallstudie kann auch ein kurzes theoretisches Konzept (im Umfang von 5-10 Seiten) in Kombination mit einem Praxisnahen Werk (z.B. Film, Hörfunkspots, Internetauftritt, Intranetauftritt, App, Verlagsprodukt, Social-Media-Kampagne, Werbe- oder PR-Kampagne) erläutert und präsentiert werden. Die Studierenden erhalten hier die Möglichkeit, vielfältige kommunikative Kompetenzen zu erwerben und Problemlösungen für die Praxis zu entwickeln. Außerdem dienen die praxisnahen Werke als Referenz für vorhandene bzw. potenzielle Arbeitgeber.

6   Festschreibung in Studien- und Prüfungsordnungen (StuPOs)

Die Prüfungsform „Praxisnahes Werk“ wurde in den Studien- und Prüfungsordnungen der Studiengänge Medien- und Kommunikationsmanagement seit Herbst 2014 an der SRH Fernhochschule – The Mobile University festgelegt:

  • Das Praxisnahe Werk besteht aus einem theoretischen Konzept sowie einer persönlichen geistigen Schöpfung (zum Beispiel Film, Blog, App, Multimedia- Produktion, Hörfunk-Spots, Internetauftritt).
  • Mit der Bearbeitung des Praxisnahen Werkes weisen die Studierenden nach, dass sie – tatsächliche oder fiktive – praktische Problemstellungen unter Anwendung theoretischer Konzepte analysieren und Lösungsalternativen in Form von Medienproduktionen entwickeln können. 
  • Die individuelle Themenfindung erfolgt in Absprache zwischen dem Studierenden und dem betreuenden Hochschullehrer. Das endgültige Thema des Praxisnahen Werkes wird durch den Betreuer ausgegeben.  Gleichzeitig mit der Ausgabe werden die Bearbeitungsfrist und der späteste Zeitpunkt der Einreichung angegeben.
  • Die Prüfungsleistung kann in Absprache mit dem betreuenden Hochschullehrer in Form einer Gruppenarbeit (bis zu 3 Studierende) erbracht werden, wenn der als Prüfungsleistung zu bewertende Beitrag der einzelnen Studierenden durch die Angabe von Abschnitten, Seitenzahlen oder anderen objektiven Kriterien, die eine eindeutige Abgrenzung ermöglichen, unterscheidbar und bewertbar ist und die Anforderungen nach Absatz 1 erfüllt. 

7   Betreuung des Praxisnahen Werks

  • In einem ersten Schritt erarbeitet der Studierende ein Exposé zum theoretischen Konzept, das mit einem Hochschullehrer abzustimmen ist, der die Betreuung des Praxisnahmen Werks übernimmt.
  • Abstimmungsprozess mit dem betreuenden Hochschullehrer bis dieser mit dem Exposé samt Gliederungsentwurf einverstanden ist und das Startsignal zur Ausfertigung der Arbeit gibt.
  • Abgabe der fertiggestellten Arbeit, sobald die Erstellung abgeschlossen ist.

8   Bewertung des Praxisnahen Werks

Der Bewertungsbogen für die Prüfungsform „Praxisnahes Werk“ besteht aus fünf Teilen:

  • Systematisches Vorgehen (Themenerfassung, Aufbau, zielführende Argumentation, roter Faden)
  • Inhalt (Theoretischer Teil in Form eines Kurzberichts (Theoretische Aufarbeitung und Fundierung der Überlegungen; Qualität der Methodik und Angemessenheit mit Blick auf die Themenstellung; Nachvollziehbarkeit der Argumentation sowie der Begründungen und Belege; Kritische Reflexion und Herausarbeiten einer eigenen Position)
  • Multimediales Werk: Präsentationskompetenz (Medieneinsatz, Werbemittel und Werbeträger; Konzeption und Gestaltung der Werbemittel: Form, Farbe, Bilder etc.; Corporate Design; Visuelle und verbale Umsetzung; Produktionsfragen)
  • Formale Aspekte (Layout, Schrift, Lesbarkeit, Menge an Aufzählungspunkten, Orthographie etc.; Qualität der Grafiken, Tabellen, Abbildungen; Zitierweise, Literaturverzeichnis, Vollständigkeit von Angaben)
  • Wissenschaftssprache bzw. medienspezifische Sprache (Rückverweise / Kohärenz; angemessene Ausdrucksformen / Terminologie; Formulierung von Kritik etc.).

9   Empirische Befunde

Mehr als 90 Prozent aller Studierender der Studiengänge Medien- und Kommunikationsmanagement (B.A. und M.A.) an der SRH Fernhochschule favorisieren das Praxisnahe Werk als Prüfungsform gegenüber einer theoretischen Fallstudie. Hunderte Studierende haben die Prüfungsform „Praxisnahes Werk“ an der SRH Fernhochschule – The Mobile University gewählt.

Durch die Einführung Praxisnaher Werke im September 2014 als Prüfungsform (Module ‚Theorie-Praxis-Transfer‘ und ‚Praxisprojekt‘) wurde das Interesse an dem Studiengang Medien- und Kommunikationsmanagement gefördert.


[1] Bundesministerium der Justiz und des Verbraucherschutzes (28.11.2018). Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), §1. Zugriff am 15.01.2019. Verfügbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/BJNR012730965.html
[2] HRK Hochschulrektorenkonferenz (2010). Weiterführung der Bologna-Reform – Kontinuierliche Qualitätsverbesserung in Lehre und Studium, Entschließung der 8. Mitgliederversammlung der HRK am 11.05.2010. Zugriff am 16.01.2019. Verfügbar unter https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/weiterfuehrung-der-bologna-reform-kontinuierliche-qualitaetsverbesserung-in-lehre-und-studium/
[3] Vgl. HRK Hochschulrektorenkonferenz (2010). Weiterführung der Bologna-Reform – Kontinuierliche Qualitätsverbesserung in Lehre und Studium, Entschließung der 8. Mitgliederversammlung der HRK am 11.05.2010. Bonn.
[4] Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur (2017). Akkreditierungsbericht zum Akkreditierungsantrag der SRH Fernhochschule – The Mobile University. 80. Sitzung der Ständigen Akkreditierungskommission am 09.05.2017. Hannover, S. II-14.
[5] Vgl. SRH Higher Education (Juli 2017). Working Document CORE+. Heidelberg: SRH Higher Education, S. 10.